: Als wäre gar nichts gewesen ...
Beim Internationalen Reitturnier in Berlin präsentierte sich Paul Schockemöhle schon wieder als der große Drahtzieher in Sachen Pferde/Treue Mediendiener schreiben ihn systematisch hoch ■ Aus Berlin Michaela Schießl
„Gebarrt werden wird auch morgen wieder, wenn sich die Aufregung gelegt hat und die Medien eine neue Sau durchs Dorf treiben.“ Horst Stern, Pferdeforscher, hat sich nach dem Reiterskandal um Paul Schockemöhle keinen Illusionen hingegeben. Und er behielt recht: Der ganze Trubel um den skrupellosen Pferdehändler erscheint im Nachhinein als eine großangelegte, kurzfristige Kampagne zur Absatzförderung von Hochglanzmagazinen.
Vier Monate nach den „sensationellen Enthüllungen“, ist das Thema Manipulation der Tiere im Springsport keines mehr. Ob bei Presse, Hörfunk oder Fernsehen, es herrscht eine stillschweigende Übereinkunft, Paul Schockemöhle wieder hochleben zu lassen. So ließ man den Experten Schockemöhle im offiziellen Programmheft an exponierter Stelle erscheinen und das Internationale Reitturnier in Berlin loben, widmet ihm als Ausrichter eines Nachwuchsspringens gar eine eigene Seite, lobte seine „systematische und behutsame Trainingsarbeit“ und stellt seinen Namen immer neben die wohlklingende Marke „Bundestrainer Meyer“.
Solcherart protegiert zeigte sich „der Pate“ in der Berliner Deutschlandhalle, wo Weltcuppunkte die Elite der Spring- und Dressurreiter anlockten, recht ungeniert. Ständig präsent betreute er seine Reiter. Fast würde man ihm sein Selbstbewußtsein abnehmen, wäre da nicht sein auffällig lautes Gerede. Und die Manie, jeder reiterlichen Berühmtheit wie beiläufig die Hand zu drücken. Credo eines verschworenen Geheimbundes. Ungewöhnlich auch, daß immer einer der Kanarien- Combo — seine Angestellten tragen uniform gelbe Jacken — in seiner Nähe ist.
Doch selbst Schockemöhles schärfste Neider wagen es nicht, öffentliche Häme gegen den Erfolgsmenschen zu verbreiten. Zu wichtig ist seine Stellung im internationalen Pferdehandel, zu weitreichend sein Einfluß.
So wundert sich offenbar auch niemand, daß Schockemöhle nicht wie versprochen, seinen Stall schließt und sich aus dem Springsport zurückzieht. Bisher ist noch alles beim alten. Professionell hat er das Medienspiel mitgespielt, war je nach Bedarf Täter, Opfer, Märtyrer und Tierschützer. Und während er in der Öffentlichkeit den physisch und psychisch erschöpften mimte, fädelte er hinter den Kulissen schon den nächsten Coup ein. Er verkaufte einen Teil seines Stalls an einen Geschäftsfreund, der von nun an für jeglichen Unbill verantwortlich ist. Wird wieder ein Skandal im Mühlener Stall enttarnt, war es eben nicht Paul Schockemöhles Teil. Eine geniale Art, sich aus der Schußlinie zu bringen. Der Pate schrubbt an seiner Weste. Nicht etwa, weil er vor kreischenden Tierschützern zurückschreckt — er will aus dem Gerede, weil in zwei Wochen der Mammon lockt. Am 8. und 9. Dezember findet die Performance Sail International statt, Schockemöhles elitäre Verkaufsaktion, traditionell mit riesigen Umsätzen.
Schamlos warb Schockemöhle in Berlin mit einem erstklasisig positioniertem Stand für seine Auktion. Doch komisch, irgendwie hatte man bei den mit Musik unterlegten Pferdevideos immer den Eindruck, als fehle etwas. Ein dumpfes Klopfen, Holz auf Knochen etwa. So huschten die Besucher tagelang mit scheuem Blick am Stand vorbei. Bis Dr. Rainer Klimke sich für seinen Freund in die Bresche warf und die Großkopferden des Reitsports zu Champagner in den Stand bat. PSI — wieder gesellschaftsfähig. Logen-Understatement auch im Prospekt: „Nach dem alten deutschen Spruch, mit Gelassenheit, Mut und Weisheit, unabänderliches hinzunehmen, mögliches zu ändern und das eine vom anderen zu unterscheiden“, möchten wir Ihnen, verehrter Kunde, die XI. PSI-Auktion hochkarätiger Nachwuchspferde des internatonalen Dressur- und Springsports präsentieren. In großer Verbundenheit zu unserer Kundschaft verbleiben wir mit den besten Grüßen, Ulli Kasselmann und Paul Schockemöhle.“ Prost auf die Bauernschläue.
Doch selbst beim doch so tierfreundlichen Publikum scheint der Fall Schockemöhle keine bleibenden Schäden hinterlassen zuhaben. Pressesprecher Fenske von der Messegesellschaft hatte „schon Schiß“, daß die Zuschauer wegbleiben. Weit gefehlt. Mit insgesamt 38.000 kamen mehr als je zuvor. So gewann Thomas Fuchs (Schweiz) auf seiner Stute „Dollar Girl“ vor in Berlin ungewohnt vollen Rängen.
Und um so größer war der Jubel, je spektakulärer die Sprünge waren, je schneller die Tiere rumgerissen wurden. Nur als „Fleetwood“ unter Wolfgang Brinkmann stürzte und sich um ein Haar das Genick brach, gab's kurzzeitig Grausen. Doch herbei eilte Tierschützer Schockemöhle, riß dem im Zaumzeug verhedderten Pferd die Trense vom Kopf und rettete einmal mehr ein teures Leben. Und die Presse jubelt, denn: So ein Mensch kann nicht wirklich schlecht sein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen