Vollblockade in der Bremer Verkehrshölle

■ HemelingerInnen wollen den Senat mit einem Riesenstau zu Umsiedlungsaktionen zwingen

„Soll er doch zufahren, ich bleibe hier stehen.“ Die etwa 55jährige, grauhaarige Frau steht todesmutig auf der Kante, die den Radweg vom Brüggeweg abtrennt. Ihr gegenüber ein riesiger LKW, der sich langsam auf die Frau zuschiebt und über den Radweg aus dem Verkehrschaos entrinnen will. Hinter dem Steuer ein verzweifelter LKW-Fahrer: „Ich muß hier doch fahren. Die anderen Straßen sind bei Schichtwechsel doch auch alle dicht.“ Gestern nachmittag im Brüggeweg: Die Anwohner sagen mit Transparenten, was sie von ihrer Stadtregierung halten: „Von 10 Jahren SPD-Politik haben wir die Schnauze voll!“ Und sie haben sich einen einfachen Trick ausgedacht, um ihre aufgestaute Wut in einen Riesenstau zu verwandeln. Sie haben ihre PKWs auf die Straße gestellt und spielen zur besten Daimler-Schichtwechsel- Zeit be- und entladen. Mit viertelstündiger Unterbrechung dauert die von der Polizei gebilligte „Parkdemo“ von 13.30 bis 16.00 Uhr.

Endlose Autoschlangen, darunter jede Menge Schwerlaster, wälzen sich Tag für Tag und die Hälfte der Nacht vier Meter von ihren Bettkanten entfernt durch die engen Straßen, getrennt nur durch Hauswände, die immer mehr Risse aufweisen. Die geplagten Bewohner wollen raus aus der Verkehrshölle. Den Glauben an irgendein Verkehrskonzept, das ihnen helfen könnte, haben sie nach zehnjährigem Kampf längst verloren. Eine Frau, die seit 1939 dort wohnt: „Auch wenn es weh tut, das Haus aufzugeben, das meine Großeltern gebaut haben, wir wollen hier weg.“ Und die Umsiedlungsaktion soll der Senat nun gefälligst mit insgesamt 50 Millionen Mark bezahlen, denn die Häuser sind nichts mehr wert.

Das verstehen auch die zum Teil zornigen, teils verständnisvollen Daimler-Arbeiter: „Hier wohnen, um Himmels Willen“, sagt einer. Und ein anderer: „Die Politiker pennen seit zehn Jahren und wir müssen jetzt darunter leiden.“ Während ein dritter kurzen Prozeß befürwortet: „Abreißen, die Scheiße hier.“

Selbst kleinere Forderungen der Anwohner wurden bislang ignoriert, so das Begehren, an der Schlengstraße / Ecke Brüggeweg eine Ampel aufzustellen. Eine Anwohnerin klagt: „Bis wir die kriegen, muß es wohl erst Tote geben.“ Am Montag nachmittag war es fast so weit. Ein neunjähriges Mädchen wurde dort von einem Auto erfaßt und schwer verletzt. hbk