„Republikaner“ in der Warteschleife

Voller Saal für Parteichef Schönhuber in Sachsen/ DDR-Jugend als Chance für die „Republikaner“  ■ Aus Chemnitz Bernd Siegler

„Unsere Zukunft ist da, weil die Jugend zu uns gehört.“ Franz Schönhuber, Chef der rechtsextremen „Republikaner“, ist begeistert. Bei seinem einzigen Wahlkampfauftritt in der ehemaligen DDR ist der Saal der Konsumgaststätte „Treffpunkt“ in Chemnitz brechend voll. Etwa 400 wollen den REP-Chef hören, darunter nur wenige Frauen. Das Durchschnittsalter beträgt knapp 20 Jahre. Skins sind nicht da, die Rotfront-verrecke-T-Shirts und die Aufnäher „Ich bin stolz ein Deutscher zu sein“ haben Seltenheitswert.

Die Partei hatte vorher im ehemaligen Karl-Marx-Stadt fleißig Plakate mit den Slogans „Bonzen weg und West-Löhne“ oder, abzielend auf Ausländer und Flüchtlinge, „Das Boot ist voll“ geklebt. Die bayerische Bereitschaftspolizei ist vor Ort, um den Parteichef vor Übergriffen zu schützen. Nachdem die Vorsitzende des 900 Mitglieder starken Landesverbands und Spitzenkandidatin von Sachsen, die 27jährige Martina Rosenberger („Eine Frau, die ihren Mann steht.“) Schönhuber als „ehrlichsten Politiker Deutschlands“ vorgestellt hatte, bereiten ihm die 400 Anwesenden einen begeisterten Empfang. Geschickt hat sich der Parteichef auf sein DDR-Publikum eingestellt. Er wettert gegen die „SED-Bonzen“ und warnt die Anwesenden vor einer „gigantischen Rauschgiftwelle“ sowie vor einem „verhängnisvollen Drang zur Amerikanisierung“. Die DDR dürfe „keine Coca-Cola-Republik“ werden, die „Niederlage des Bolschewismus“ dürfe „nicht der Sieg des Kapitalismus“ sein. Schönhuber will, daß sich „unsere Töchter und Frauen wieder nachts auf die Straße“ wagen können, daß in Chemnitz „keine Verhältnisse wie in der Hafenstraße“ entstehen und preist das Schweizer Rotationsprinzip (Zeitverträge für Gastarbeiter) als Konzept gegen Arbeitslosigkeit. Zweimal betont er, er wolle „keinen Haß schüren“. Ein Alibi, denn kurz zuvor hat er bewußt Stimmung gegen die in der DDR stationierten Sowjetsoldaten („Fragt Eure Mütter, was die Sowjetsoldaten mit ihnen gemacht haben.“) und gegen Ausländer („In Berlin hat ein Türke einen Republikaner erstochen.“) geschürt. Da reckt dann schon mancher Jugendliche die rechte Faust empor oder gröhlt „Kommunistenpack“ oder „Kanakenschweine“.

Fast flehentlich fordert der REP- Chef die begeisterten Jugendlichen auf, „der neuen Kraft eine Chance zu geben“. Mit einem „Gefühl der ungeheuren Dankbarkeit“ verläßt Schönhuber die Rednertribüne und bittet nach der obligatorischen Nationalhymne zum Journalistengespräch ins „Jägerzimmer“. Dort gibt Schönhuber, sichtlich erschöpft von seinem Auftritt, zu, daß die Wahl für die REPs gelaufen sei. „Unsere große Zeit beginnt wahrscheinlich erst im nächsten Jahr.“ Dabei hofft er auf die Zuspitzung der ökonomischen und sozialen Verhältnisse in den fünf neuen Bundesländern. Für ihn geht es jetzt darum, „die Organisation zu erhalten“, um für das „Aufwärts in der Stimmungsdemokratie“ gut gerüstet zu sein. Er setzt darauf, daß „die eigentliche Problematik der Koalition schon am 3. Dezember“ beginne.

Im derzeit laufenden Wahlkampf setzen die REPs voll auf die „elektronische Propaganda“. Daß heißt wenige Auftritte mit dem Vorsitzenden, dafür 43 Hörfunk- und 10 Fernsehspots. Sogar 'Die WELT‘ ist begeistert und bejubelt die REP-Spots als „Marketing erster Sahne“. Auch die Journalisten des 'Chemnitzer Tageblatts‘ sind sichtlich angetan von Schönhubers Ausführungen. Sie liefern ihm die Stichworte („Eine Welle von Pornografie führt die DDR-Bürger ins seelische Verderbnis.“ „Wir müssen wie Bismarck eine Achse Rußland-Deutschland schaffen.“ „Die Amerikanisierung der DDR nimmt zu.“) Schönhuber blüht sichtlich auf, als ihm zum Schluß der Redakteur des 'Chemnitzer Tageblatts‘ zuflüstert: „Vieles von Ihnen könnte ich unterschreiben.“ Der REP-Chef revanchiert sich mit einem Autogramm und einer Einladung zum Essen nach München.