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Aids-Tag gegen Gummimuffel

■ Aids-Gruppen appellieren an die Solidarität / Safe Sex gegen Infektion

„Mach mit — Genuß ohne Reue.“ Mit einem Freierbrief will der Nitribitt-Verein den Gummimuffeln eins überziehen. Denn immer noch ist der ungeschützte Geschlechtsverkehr HIV-Infektionsgefahr Nummer eins. Der Brief ist nur eine Aktion, die sich Bremer Gruppen der Aids-Beratung und Betreuung zum 3. Welt- Aids-Tag morgen ausgedacht haben. Ziel ist eine verstärkte Aufklärung in der Bevölkerung über Ansteckungsrisiken. Außerdem treten die Gruppen für einen solidarischen Umgang mit Positiven ein, für ein Ende der Ausgrenzung.

Drei Beratungsstellen kümmern sich derzeit in Bremen um Aidskranke, Infizierte und Angehörige: Die Aids-Beratung beim Hauptgesundheitsamt, das Rat und Tat-Zentrum für Homosexuelle und die Bremer Aids-Hilfe. „Wir müssen erreichen, daß die psychosoziale Betreuung erheblich verstärkt wird“, forderte gestern Brigitte Cordes von der Aids-Beratung beim Hauptgesundheitsamt vor Journalisten.

15 von 22 Stellen in der Beratung sind sogenannte Modellstellen, die über Bonner Gelder finanziert werden. 1991 laufen die Modelle aus. „Wenn wir nicht vom Sozial- oder Gesundheitsressort übernommen werden, können wir unsere Arbeit beenden“, fürchten die AidsberaterInnen.

Die offizielle Statistik beim Bundesgesundheitsamt hat in Bremen bis 30.9.90 102 aidskranke Menschen und 38 Todesfälle registriert. Die Zählung ist freiwillig und anonym, darum rechnen die Fachleute mit einer erheblich höheren Dunkelziffer. „Insgesamt sinkt aber die Infektionsziffer in der BRD“, erklärte Bernd Thiele vom Rat-&-Tat- Zentrum die aktuellen Entwicklungen. Trotzdem sei die Infektionsgefahr damit nicht gebannt.

Das liegt in erster Linie an den Männern und ihrem gestörten Verhältnis zum Präservativ. „Wir erleben es in Beratungsgesprächen oft, das 30-, 40jährige Männer nicht wissen, wie so ein Präservativ überhaupt funktioniert und sich auch schämen, danach zu fragen“, berichtete Brigitte Cordes. Ähnliche Erfahrungen sind auch dem Verein Nitribitt bekannt: „Wenn die Freier von den professionellen Prostituierten aufgefordert werden, ein Präservativ zu benutzen, gehen die eher an den Ziegenmarkt.“ Dort arbeiten die drogenabhängigen Frauen, die sich für den nächsten Schuß eher unter Druck setzen lassen als die Professionellen.

Die Aids-Betreuer fordern anläßlich des 3. Welt-Aids-Tages ein mehrgleisiges Therapiekonzept. „Bisher zahlen die Kassen nur AZT“, erklärte Thomas Fenkl von der Bremer Aids- Hilfe. AZT verlangsamt über einen Zeitraum von zwei Jahren den Immunitätsverlust. „Andere Medikamente oder homöopathische Therapien müssen die Patienten selbst bezahlen“, kritisierte der Betreuer.

Morgen werden die Gruppen von 10.00 bis 16.00 Uhr am Bahnhofsvorplatz einen Infostand aufbauen. Der direkte Kontakt zur Bevölkerung soll helfen, Barrieren zu überwinden. Dabei werden Luftballons verteilt, Präservative und der Freierbrief. „Wir müssen weg von der Ausgrenzung, um Positiven ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen“, forderte Brigitte Cordes.

Der Welt-Aids-Tag steht unter dem Motto „Aids und Frauen“. Anders als in Bremen, wo im letzten Jahr 11 Männer und eine Frau an Aids erkrankten, ist das Verhältnis der infizierten unter den Geschlechtern etwa gleich. „Aber es sind gerade die Männer, die zu einer steigenden Infektionsrate beitragen“, kritisierte Brigitte Diekmann von der Frauen-Gleichstellungs-Zentrale. mad

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