: Das Gespenst des Kommunismus lebt
Indonesiens Präsident fordert Meinungsvielfalt und Offenheit, aber der Chefredakteur einer Zeitschrift wanderte wegen Veröffentlichung einer Meinungsumfrage ins Gefängnis/ Kommunisten und Fundamentalisten Staatsfeinde oberster Kategorie ■ Von Ricarda Alt
Indonesiens fast 70jähriger Staatschef General Suharto, der inzwischen einer der ältesten Militärdiktaturen der Welt vorsteht, gibt sich locker und offen. Seit gut einem Jahr „läßt“ er seine Nachfolge öffentlich diskutieren. Und wie er jüngst in einer Rede zum 45. Jahrestag der Unabhängigkeit betonte, verlange eine Demokratie Meinungsaustausch und -vielfalt: Die Indonesier sollten sich offen zu ihren Ansichten bekennen und mehr Initiative zeigen, lautete seine Aufforderung.
25 Jahre — seitdem er am 1.10. 1965 nach einem angeblich bis heute nicht aufgeklärten kommunistischen Putschversuch das Kommando über den Inselstaat übernommen hatte — ist der General in Indonesien an der Macht. Um zu demonstrieren, daß es den Generälen in Jakarta nach dem seit einiger Zeit angestrengten Austausch mit sozialistischen Ökonomien nun auch mit der politischen „Glasnost“ ernst sei, bliesen auch andere Regierungsmitglieder ins gleiche Horn: Als „out“ bezeichnete Admiral Sudomo, zuständiger Minister für Sicherheitsfragen, im August die Pressezensur. Meinungsfreiheit sei ein notwendiges Mittel zur Schaffung einer Schicht technischer Intelligenz. Diese müsse in der Phase des wirtschaftlichen Aufschwungs komplexe Probleme alleinverantwortlich der Obrigkeit lösen.Wer ernsthaft erwartet hatte, daß diese „Obrigkeit“ ihre Kontrolle über den mit 185 Millionen Einwohnern fünftgrößten Staat der Welt wirklich reduzieren würde, hat sich getäuscht: Nur einen Monat nach den großen Worten des Admirals Sudomo wurde in Indonesien bereits wieder eine Zeitschrift verboten. Das Blatt 'Monitor‘ mußte seine öffentliche Umfrage zu den am meisten bewunderten Personen in Indonesien mit dem Entzug der Lizenz bezahlen. Die knapp 3.400 Befragten hatten zwar Präsident Suharto standesgemäß auf Platz 1 gesetzt; allein Allahs Prophet Mohammed landete auf Platz 11. Dies löste Proteststürme im überwiegend moslemischen Indonesien aus, und Monitor- Chefredakteur Arswendo wanderte postwendend ins Gefängnis.
Harsche Reaktion provozierte jüngst auch der Versuch, das wirtschaftliche „Engagement“ der Präsidenten-Familie näher unter die Lupe zu nehmen. Der Amerikaner Steven Erlanger hatte sich am 12. November in der 'International Herald Tribune‘ über eine von der ältesten Suharto-Tochter errichtete und vom Vater eröffnete Mautstraße ausgelassen und prompt Einreiseverbot kassiert.
Das Thema „wirtschaftliche Machenschaften“ der Präsidentenfamilie belastete bereits die Beziehungen zum Nachbarland Australien nachhaltig, als Indonesien-Korrespondent David Jenkins 1986 den Artikel „Nach Marcos nun auf die Suharto- Millionen“ veröffentlicht hatte.
Doch nicht nur im Pressewesen ist es nicht weit her mit der hochgeschaukelten „neuen Offenheit“: In der javanischen Stadt Yogyakarta wurde unlängst ein Studentenführer zu acht Jahren Haft verurteilt. Zur Last gelegt wurde ihm die Verbreitung kommunistischer Lehren. Der Student gehörte zu einer Gruppe junger Intellektueller, denen Besitz und Vertrieb staatlich verbotener Schriftstücke als Subversion ausgelegt worden war.Dazu zählten auch Bücher des Schriftstellers Pramoedya Ananta Toer, der 15 Jahre auf der Insel Buru inhaftiert war und bereits mehrfach für den Nobelpreis nominiert wurde.
Das Gespenst des Kommunismus lebt unverändert fort in Indonesien. Noch 25 Jahre, nach den Massakern im Anschluß an den Putsch, denen Hunderttausende zum Opfer gefallen sind, und obwohl Suharto seine Macht durch zahlreiche strukturelle Maßnahmen stabilisiert hat, sind Kommunisten wie fundamentalistische Moslems Staatsfeinde oberster Kategorie.
Zu Beginn dieses Jahres wurden vier politische Gefangene von 1965 hingerichtet; zwei weiteren steht diese Hinrichtung nach Angaben von Beobachtern kurz bevor. 350 — so die Zahlen von amnesty international — sitzen immer noch in Haft; einige von ihnen waren 1965 gerade 13 Jahre alt. Zehntausende der ehemaligen politischen Gefangenen, die Ende der 70er Jahre auf internationalen Druck hin freigelassen worden waren, sind weiter geächtet. Spezielle Eintragungen in ihre Personalausweise verhindern ihre gesellschaftliche Integration.
Von der niederländischen und anderen europäischen Regierungen forderten am Wochenende die Teilnehmer einer Konferenz zum Thema „Menschenrechte in Indonesien“ in Utrecht einmal mehr politischen Druck auf das Regime in Jakarta — wie schon 1977.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen