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Aufstieg der Traktoristin

■ »Das wär's denn auch« von Ljudmilla Donez«

Dumpf, versoffen, falsch und kriecherisch — so sind die sowjetischen Menschen in Ljudmilla Donez' tieftrauriger, beißender Dorfkomödie Das wär's denn auch. Es sind die Untertanen des verkalkten Breschnew, deren größte Stärke darin besteht, ihre Langeweile, Faulheit und Perspektivlosigkeit mit immer noch größerem Zynismus und noch mehr Lethargie zu überdecken. Schnaps heißt das Allheilmittel...

In einer buchstäblich von allen guten Geistern verlassenen, verlotterten Kolchose kreuzen irgendwann in den späten Tagen des greisen Breschnew der junge Kolchosevorsitzende Roshkow und die Traktorfahrerin Valentina auf. Roshkow ist Idealist, will den Laden auf Vordermann bringen. Valentina zeichnet sich dagegen eher durch eine dumpfe, bisweilen freche Trägheit gegenüber ihrer Umwelt aus — aber auch durch eine stoische Arbeitswut auf dem Acker. »Da Traktor, da Boden«, sagt sie und entzückt mit solch simpler Weltsicht die korrupten Parteibonzen. Während Valentina immerhin die versoffene, faule Männerwelt in der Kolchose in Wallungen bringt, stößt der neue junge Chef erst einmal auf Mißtrauen: Eifer und Idealismus, das sind für die Generation der Dreißigjährigen in den achtziger Jahren verdächtige, unbekannte Eigenschaften.

Trotz ihrer unterschiedlichen Mentalitäten funkt es zwischen Valentina und dem verheirateten Roshkow. Daraus wird aber schon aus Gründen der herrschenden Moral nichts. Zumal Valentina als Mustergenossin in die Zeitungen gerät und Kolchosechef Roshkow den Auftrag erhält, sie zu verheiraten. Schon weil die Energie und Phantasie zu anderen Möglichkeiten fehlt, zerrt Valentina schließlich den versoffenen, örtlichen Dorf-Casanova zum Standesbeamten. Die Parteibonzen freuen sich, wieder einmal ist ein sowjetisches Musterpaar in den Zeitungen zu bejubeln. Roshkow wiederum, der hart gearbeitet hat, echte Ernteerfolge erzielt und sogar Häuser für die Kolchosearbeiter erstellen ließ, stürzt tief: Initiative kann das erstarrte System längst nicht mehr ertragen.

Dem jungen Chef wird der Bau der Häuser angelastet, er verliert Position, Parteibuch und landet schließlich im Gefängnis. Valentina sammelt einen Verdienstorden nach dem anderen, wird sozialistische Vorzeigearbeiterin, Parteifunktionärin, Abgeordnete. Aus dem Trampel vom Acker wird eine ausgebuffte, lächerlich damenhafte Parteibonzin.

Tristesse, gemalt mit bitterbösen, komischen Filmbildern: der sturzbesoffene russische Arbeiter, der torkelnd mit einem Backstein seine kaputten Fahrradspeichen reparieren will. Der Parteisekretär in wollenen Schlapperunterhosen, den es vor der grotesken Kreml-Audienz bei Gottkönig Breschnew so friert, daß er zu Valentina ins Bett kriechen will. Die aufgetakelte sozialistische Frau Abgeordnete mit Perücke, die ihr französisches Parfüm nicht finden kann. Die »asozialen Elemente« im Armenhaus, die die Politikerin kriecherisch als »die Sowjetmacht« begrüßen — und mit der Aufforderung zu schriftlichen Eingaben abgespeist werden. Und wo nichts hilft, trinken Volk und Obrigkeit erst einmal einen. Pralle Filmbilder voll Komik und Spott, aber auch voll Trauer und ohnmächtiger Wut, die zusammen eine schnelle, fast hektische Handlung ergeben. Rußland ist wieder da angekommen, wo alles seinen Anfang nahm, im zaristischen Elend des 19. Jahrhunderts, wie es in den Romanen Dostojewskis und anderer beschrieben wird. Daß daraus nun nicht düsterster Nihilismus folgen muß, dafür spricht zumindest schon einmal der alles bezwingende Humor des Films. Thomas Kuppinger

Das wär's denn auch läuft heute um 23 Uhr noch einmal in der Filmbühne am Steinplatz und am 5.12. (23 Uhr) und 6.12. (21 Uhr) im Babylon-Ost.

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