»Zwei mal zwei ist nicht vier«

■ Ost-Berlins SPD-Kulturstadträtin Irana Rusta zog Bilanz ihrer kurzen Amtszeit/ »Überführungen« und »Abwicklungen« in 186 Tagen

Mitte. Irana Rustas Verwunderung war nicht gespielt. Nur vier Pressevertreter saßen gestern der Ostberliner Kulturstadträtin und ihrer Crew gegenüber, als diese im Haus der Jungen Talente ihren letzten Auftritt zelebrierte. Die SPD-Politikerin verwies in der Bilanz ihrer 186 Tage währenden Amtszeit auf Schwerpunkte, die sie »konzeptionell« setzte: Als Beleg für die angestrebte »Demokratisierung der Kulturpolitik« bezeichnete Rusta ihre Bereitschaft, Elemente direkter Demokratie, wie den Ostberliner »Kulturtisch«, auch nach der Wahl einer demokratisch legitimierten Stadtregierung beibehalten zu haben. Zu den Zielen des Magistrats habe »der Erhalt aller kulturellen Einrichtungen« gehört, doch die Frage, in welcher Form diese überleben sollten, sorgte seit Verabschiedung eines entsprechenden Beschlusses des Magisenats am 6. November für Aufregung: Bei der »Überführung« und »Abwicklung« kultureller Einrichtungen war ein Kahlschlag befürchtet worden. Doch nun, so jedenfalls Rusta, sollen lediglich 250 der 2.500 Personalstellen in den »abgewickelten« Einrichtungen abgebaut werden.

Ein weiterer Schwerpunkt ihrer Politik sei, so Rusta ganz in westlicher Gefolgschaft, »die Förderung der dezentralen Kulturarbeit« gewesen. 1,6 Millionen DM konnten durch Umschichtungen von Haushaltsmitteln der Ostberliner Off-Szene seit Mai zur Verfügung gestellt werden. Doch für die multikulturellen Initiativen der Hauptstadt, wie »Tacheles« und »Pfefferberg«, bekam auch die Stadträtin in den Verhandlungen mit der Treuhand und den Wohnungsbaugesellschaften keine verbindlichen Zusagen. Jetzt soll ein »Kulturatlas Berlin« um Sponsoren für die diversen Projekte werben. Nach Rustas Vorstellung soll aber vor allem ein unter anderem mit EG—Mitteln finanzierter »Zehn- Jahres-Kulturrahmenplan« die Härten der Marktwirtschaft mildern und Ostberlins kulturelle Infrastruktur sichern. Während im Westen der Stadt über 1.000 Ateliers fehlen, sicherte ein Magistratsbeschluß die Mietpreisbindung für 300 von Künstlern genutzte Räume im Osten. Nach einer noch nicht abgesegneten Beschlußvorlage soll der Gesamtsenat ferner in Marzahn, Adlershof und Friedrichshain Atelierhäuser errichtet werden.

Nebulös blieben Irana Rustas Ausführungen zur Arbeit ihrer ungeliebten Kollegin Anke Martiny und zu ihrer eigenen politischen Zukunft. Zwar will sie auch weiterhin als Kulturpolitikerin arbeiten und hält Ex- DDRler auch in der Exekutive für wünschenswert, doch welche genaue Rolle sie selbst spielen will, vermochte sie nicht zu sagen. Die allgemeine öffentliche Kritik an Anke Martinys Amtsführung versuchte die Kulturstadträtin abzuschwächen, indem sie auf Höhen und Tiefen sozialdemokratischer Kulturpolitik hinwies. Es gebe eben hervorragende Persönlichkeiten und solche SPDler, die noch einem zwar in der Partei überwundenen, doch in ihrer Geschichte verwurzelten, engen Kulturbegriff anhingen, philosophierte sie. »Denn auch in der Kultur ist wie in der Naturwissenschaft seit Einstein zwei plus zwei nicht vier«. a.m.