Zu hoher Korb für Rübezahl

Die deutsche Basketball-Nationalmannschaft verlor ihr entscheidendes EM-Qualifikationsspiel gegen Spanien mit 78:79, doch Bundestrainer Svetislav Pesic träumt noch von Olympia 1992  ■ Aus Stuttgart Peter Unfried

Gesetzt den Fall, ein Baby würde in Deutschland versuchen wollen, einen Basketball, der eh nirgendwo herumliegt, aber nehmen wir's mal an, zu greifen, um damit zu spielen, da gäb's aber was hinter die Löffel und auf den Latz. Der entrüstete Erzeuger würde den orangenen Störenfried stante pede zum Altmüll geben, und dem oder der Kleinen sogleich gehäuft Fußbälle um die Ohren knallen. Damit da erst gar keine dumme Gedanken aufkommen. Schließlich heißt der Weltsportler des Jahres Lothar Matthäus.

So gesehen brauchten sich am Samstag abend eigentlich weder die 5.700 Besucher in der Stuttgarter Schleyerhalle, noch Bundestrainer Svetislav Pesic und sein Team allzu sehr über die knappe 78:79-Niederlage gegen die international erheblich reputierteren Spanier zu grämen. Auch wenn dadurch der Versuch mißglückte, sich endlich wieder für ein großes Turnier, in diesem Fall die Europameisterschaften im kommenden Jahr, zu qualifizieren.

Als den „Sport der Zukunft“ hatte Manfred Ströher, der Präsident des Deutschen Basketball-Bundes, das Korbgewerfe im Vorfeld angepriesen, das doch immerhin das „populärste Spiel der Welt“ sei. Mag ja sein, doch die Realität hierzulande gibt zu großer Euphorie nur bedingt Anlaß.

Der Fehler liegt, klar, im System. Die Spieler kommen zu spät zum Basketball. Oft erst in den höheren Klassen einer höheren Lehranstalt, und auch das nur, wenn zufällig einer der Körperertüchtiger nicht fußballverrückt ist.

So hat ein Mike Jackel erst mit dreizehn Jahren angefangen, Körbe zu werfen, Stammspieler wie Gunther Behnke, Stefan Baeck und Sven Meyer, der Charlottenburger Center, waren noch später dran. Nationalmannschaftskapitän Hansi Gnad kam gar erst mit achtzehn Jahren dazu. Kein Wunder, daß ihn die Amerikaner gleich wieder nach Hause schickten, nicht nur, weil Hansi mit 2,08 Meter einfach zu klein war. Um auf höchstem Niveau spielen zu können, braucht es mehr als nur ein paar Zentimeter.

Das hat auch Uwe Blab erfahren müssen, der in der amerikanischen Superliga vier Jahre lang (zuletzt in San Antonio) durch eine extrem niedrige score rate aufgefallen war. Was ganz einfach daran lag, daß er sehr wenig zum Einsatz kam. In Stuttgart gab er nach fünf Jahren Abwesenheit sein Comeback in der Nationalmannschaft, stach allerdings nicht einmal dadurch heraus, daß er kaum einen Freiwurf verwandeln konnte, denn das konnten die anderen bis auf Jackel und Harnisch auch nicht.

Dieses Unvermögen gab am Ende den Ausschlag zugunsten der Spanier, die sich auf ihrer Routine und dem Elfpunktevorsprung aus dem Vorspiel ausruhen konnten. Nur Mitte der ersten Hälfte, als die Deutschen Vorteile bei den Rebounds in einen Fünfpunktevorsprung ummünzen konnten, kam in der Schleyerhalle so was wie Basketballstimmung auf.

Ansonsten fiel die Halle wieder einmal durch. Dennoch — die Sportstadt Stuttgart läßt nichts aus — hat man sich schon für die nächsten drei Jahre weitere Großereignisse gegrapscht, kulminierend 1992 mit den McDonald Open, was auch immer das sein mag.

Am Ende gab's natürlich auch noch Jubel. Nachdem der beste deutsche Spieler, der Leverkusener Henning Harnisch, einen Dreier geworfen hatte, was jedoch weder zum Sieg noch zur Qualifikation reichte, jubelten die spanischen Schlachtenbummler, die zwar zahlenmäßig unterlegen, doch phonmäßig voll auf der Höhe waren. Kein Wunder, Spanien ist halt eine Basketballnation, während Deutschland, auch das vereinte (die Ex-DDR war vor fast fünfundzwanzig Jahren zum letzten Mal bei einer Europameisterschaft vertreten) keine ist. Da konnten auch die Euphemismen von Trainer Svatislav Pesic („Wir haben eine Mannschaft, die Zukunft hat und ihren Höhepunkt bei den Olympischen Spielen 1992 erreichen kann.“) und die vage Hoffnung auf einen im fernen Amerika agierende Wundermann namens Detlef Schrempf nicht drüber hinwegtäuschen: Für den deutschen Rübezahl hingen die Körbe ein weiteres Mal zu hoch.