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„Eine Unmenge an den irrsinnigsten Altlasten“

■ Von den Umweltschäden auf US-Kasernen ist nur ein Bruchteil bekannt/ Grüner Experte fordert sofortige Aufklärung INTERVIEW

Olaf Achilles ist Leiter der Forschungsstelle Militär, Ökologie und Planung sowie Bundestagskandidat der Grünen.

taz: Die US-Armee hat in einem internen Bericht 358 Liegenschaften in der Bundesrepublik mit schweren Umweltschäden identifiziert. Wird es dabei bleiben?

Olaf Achilles: Nein, das ist nur die Spitze des Eisbergs. Dies ergibt sich aus der von mir zusammengetragenen Liste und aus Gesprächen mit US-Vertretern. Wir haben Vergleiche in den USA selbst: dort waren letztes Jahr etwa 8.500 verseuchte Militärgelände identifiziert — in diesem Jahr ist die Zahl bereits auf 14.441 gestiegen.

Hat die Bundesregierung in der Vergangenheit bei Fragen des Umweltschutzes gegenüber den Alliierten verantwortungsvoll gehandelt?

Auf keinen Fall. Die Bundesregierung hat den Grünen und der SPD mehrfach gesagt, daß sie zu diesem Problem keine Daten und Fakten erheben will, daß aber das Umweltrecht auch von den US- Streitkräften wie auch von den anderen Alliierten eingehalten werden muß. Sie hat sich also darauf beschränkt, den moralischen Umweltzeigefinger zu heben, aber keine eigenen Maßnahmen ergriffen, obwohl es seit Jahren Hinweise gibt über die enormen Umweltproblemen auf diesen Liegenschaften.

Handlungsbedarf besteht, weil die Amerikaner demnächst etliche Standorte aufgeben werden.

Der Handlungsbedarf besteht nicht nur bei den Amerikanern, sondern bei allen alliierten Liegenschaften, damit diese altlastenfrei zurückgegeben werden. Denn nach Artikel 52 des Nato-Truppenstatut-Zusatzabkommens muß die Bundesregierung bei einem Abzug wissen, wie groß die Umweltschädigungen sind, um sie gegen die hinterlassene Infrastruktur aufzurechnen. Wenn sie das nicht macht, muß sie selber die Milliardenbeträge zum Aufräumen bezahlen.

Wenn die Alliierten gehen, dann bleiben uns hier noch eine Unmenge von den irrsinnigsten chemischen Altlasten bis hin zu chemischen Kampfstoffen, die in diese Diskussion noch eine ganz neue Dimension bringen werden..Das ist alles ein Wahnsinns-Sonder müll, was dort anfällt. Bei der US-Army in den Vereinigten Staaten Jahr 530.000 Tonnen Sondermüll an. Die Zahlen für die hiesigen US-Truppen hätte ich gerne — und auch die der Bundeswehr.

Was stünde für den kommenden Abzug der Alliierten auf der Tagesordnung?

Die Grünen und die Friedensforscher fordern seit Jahren ein Sondergutachten des Rates für Umweltfragen zur militärischen Gesamtbelastung für die Bundesrepublik. Das bekommt durch die Belastungen auf sowjetischen Stützpunkten und ehemaligen Volksarmee-Liegenschaften und die jetzt bekanntgewordenen US-Verseuchungen eine noch größere Bedeutung. Der zweite Schritt wäre, für jede Liegenschaft sofort eine Umweltstudie anzufertigen, damit die Gemeinden sich in den Konversionsprozeß einbringen können. Die müssen wissen, ob sie diese Liegenschaften später überhaupt nutzen können oder das Gelände noch die nächsten vierzig Jahre bewachen müssen, weil es einfach zu giftig ist.

Gibt es Hinweise, daß die Bundesregierung in dieser Richtung tätig wird?

Nach ihren bisherigen Antworten muß ich das ganz klar verneinen. Aber auch bei der Bundeswehr passiert außer Konzeptionen und vielen Worten leider gar nichts. Interview: Gerd Nowakowski

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