: Kohl will mit Gemach verhandeln
■ Solide Arbeit wollen die Wahlgewinner bei ihren Koalitionsverhandlungen leisten/ Die kleinen Koalitionspartner gehen mit großem Selbstbewußtsein ins Rennen
Helmut Kohl sagte nicht viel. Allemal aber reichte es, um eines sicher vorauszusehen: Die Koalitionsverhandlungen zwischen CDU/CSU und FDP werden nicht leicht und dauern drum noch eine ganze Weile länger, als Helmut Kohl sich das so vorgestellt hatte. „Wir sind für ein faires Miteinander und wollen gute Arbeit leisten“, so der CDU-Chef gestern nachmittag während einer Pressekonferenz, bevor sich die Vertreter von CDU/CSU und FDP erstmals zusammensetzten. „Wir wollen zügig verhandeln, stehen jedoch nicht unter Zeitdruck“, behauptete er und begründete dies damit: Man habe nun die lange Frist von vier Jahren Miteinanderregieren vor sich. Da sei es besser, die Koalition „sachgerecht“ statt schnell zu bilden.
Weihnachtsgeschenk für den Kanzler?
Helmut Kohl verwahrt sich gegen „Zeitdruck“. Dies zeigt, daß die FDP jetzt schon erfolgreich mit ihren Pfund von elf Prozent wuchert. In den vergangenen Wochen nämlich hatte das Bonner Kanzleramt immer wieder heftig darauf gedrungen, daß nach der Wahl zügig verhandelt werde. Schon am 21. Dezember, so ließ Helmut Kohl streuen, wolle er sich zum Kanzler wählen lassen. Die Liberalen hingegen waren stets gegen diesen engen Zeitplan, der es ihnen nicht leicht gemacht hätte, viel für sich herauszuholen.
FDP: Ohne Niedrigsteuer keine Kanzlerwahl
Mit einem guten Wahlergebnis im Rücken können sie nun selbstbewußt Kohls Wünschen die eigenen entgegensetzen. Zum Beispiel diesen des Parteichefs Lambsdorff: Der Kanzler wird erst gewählt, wenn CDU/ CSU und FDP nicht nur ganz allgemein verhandelt, sondern sich abschließend über Programm und Personen geeinigt haben. Schwerer dürfte es für die FDP werden, ein Anliegen durchzusetzen, das Lambsdorff gestern vor seiner Fraktion schon zu einer Koalitionsfrage erklärt haben soll: „Ohne Niedrigsteuergebiet keine Kanzlerwahl.“ Dies gleich abzuschlagen, schien Helmut Kohl wenige Stunden später noch nicht zu wagen: „Ich will vor den Koalitionsverhandlungen nichts über Bedingungen hören“, beschied er knapp den Bonner JournalistInnen. Streit scheint sich für die Koalitionsverhandlungen auch um den außenpolitischen Kanzlerberater Horst Teltschik anzubahnen. Ihn, so war am Sonntag in Bonn zu hören, wolle Kohl vom Kanzleramt als Staatssekretär ins Auswärtige schicken. Das allerdings würde beim amtierenden Außenminister Hans-Dietrich Genscher einen wunden Punkt berühren: Seit Jahren ärgert er sich immer wieder heftig über Teltschik, der zwar mit dem Segen des Kanzlers und ohne den von Genscher außenpolitisch agiert. Schließlich dürften sich CDU, CSU und FDP auch noch länger als geplant darüber streiten, wer welchen Kabinettsposten bekommt: Daß Wirtschaftsminister Helmut Haussmann (FDP) zurücktritt, mischt die Karten neu. Nun wirft die CDU selbst begehrliche Blicke auf den obersten Posten in dieser Behörde.
„Wir haben uns gut geschlagen“
Es ist ein guter, freudiger Tag für uns“. „Noch bei der Volkskammerwahl waren die Erwartungen ja eher skeptischer Natur“. „Wir haben uns gut geschlagen, aber es gibt auch unübersehbare Schwachstellen.“ Eher verhalten kommentierte Helmut Kohl gestern vor der Presse das Ergebnis seiner Partei. In der Tat hatte man sich wenige Wochen vor dem 2.Dezember in Kanzleramt und Parteizentrale unter einem „schönen“, „guten“, „zufriedenstellenden“ Ergebnis ein wenig andere Zahlen als knapp 45 Prozent vorgestellt: 46, 47, 48 — darüber, so war zu hören gewesen, würde sich der Kanzler freuen. „Das ist das beste Ergebnis für eine demokratische Partei, seit es freie und geheime Wahlen in Deutschland gibt“, sagte Helmut Kohl seit Sonntagabend ein paar Mal — daß die Union damit nur knapp über dem Ergebnis von 1987 liegt, daß sie früher schon mehr als 48 Prozent eingefahren hat, erwähnte er freilich nicht.
Balsam gegen wachsenden Selbstzweifel
Dennoch: Nicht wenige in der Union dürfte das Ergebnis schon deswegen freuen, weil ihre Zweifel an der eigenen Partei in den letzen Wochen gewachsen waren. Auf jeden Fall, so war jüngst aus Regierungskreisen zu hören, seien der Kanzler und die CDU „mit großem Glück durch den wahlkampf gekommen“. Für den Sieg habe nämlich der Ruf gereicht, Kohl werde die wirtschaftliche Krise auf dem Gebiet der ehemaligen DDR so meistern können, daß die Menschen auf dem Gebiet der ehemaligen BRD nicht allzusehr werden bluten müssen. Dieser allgemeine Eindruck und die Wiedervereinigung selbst hätten zum Vorteil der Union und des Kanzlers die entscheidende Frage überlagert: „Was wollen wir in den kommenden Jahren erreichen?“ Und: Abgesehen von der Europapolitik hätte die Union darauf keine Antwort geben können. Ferdos Forudastan, Bonn
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