Parteivorsitzender gesucht

■ Oskar Lafontaine hat das Handtuch geworfen — die SPD steht fast vor dem Nichts KOMMENTAR

Jetzt kann die SPD eine Anzeige in der 'Zeit‘ aufgeben: „Parteivorsitzende oder Parteivorsitzender gesucht“. Oskar Lafontaine, der glücklose SPD- Kanzlerkandidat, hat alles hingeschmissen. Öffentlich hatte Vogel am Montag Lafontaine das Amt des Vorsitzenden angeboten. „Jetzt kann er nicht mehr aus, der ewige Zauderer“, dachten die meisten. Doch weit gefehlt. Nach der Sitzung des Parteirates verkündete Lafontaine: Ich mache es nicht! Diese Entscheidung war falsch. Wie, wenn nicht als Vorsitzender, will er die Partei modernisieren, umkrempeln und ihr einen ökologischen Anstrich verpassen? Wenn er wirklich — wie er angibt — psychisch und physisch dazu nicht in der Lage sein sollte, dann hätte er sich auch nicht überreden lassen dürfen, als Kanzlerkandidat ins Rennen zu gehen. Vermutlich war der Auslöser für Lafontaines Rückzug doch die Kritik Willy Brandts an seinem Wahlkampf. Aber damit hätte er nun wirklich rechnen können. Es war doch klar, daß alle, die seine Haltung zur Deutschen Einheit nicht richtig fanden, nach der Wahl nicht stumm bleiben würden. Sein Argument, „das Amt des Ministerpräsidenten läßt sich nicht mit dem des Vorsitzenden vereinbaren“, ist ja wohl nicht ernst gemeint. Natürlich wäre es etwas stressig geworden. Aber das hätte er sich wirklich früher überlegen können.

Die leise Hoffung auf eine „andere Republik“, die Lafontaine trotz seiner schillernden Unberechenbarkeit verkörperte, ist trotzdem nicht ganz dahin? Eine Vorstellung allerdings ist schlimm: Die Grünen sind weg vom Fenster, und die SPD wird womöglich ersteinmal von einem konservativen Übergangsvorsitzenden Johannes Rau geführt. Dennoch gibt es Lichtblicke: Björn Engholm, der coole aus dem Norden, signalisierte gestern durchaus Interesse an dem Job. Er ist ein Modernisierer wie Lafontaine, aber nicht ganz so unberechenbar. Vielleicht getrauen sich die Sozialdemokraten aber auch und setzen ein echtes Signal — küren eine Frau zur Vorsitzenden. Tina Stadlmayer