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Der Golfkrieg geht nur die Mütter was an

Die spanische Truppenentsendung in den Golf hat in der Bevölkerung keineswegs Begeisterung ausgelöst/ Empfang der Rückkehrer wie bei Kaisers Geburtstag/ Die Protestierer bleiben allein und zerstritten/ Regierung zeigt sich ungerührt  ■ Aus Madrid Antje Bauer

Es war ein großartiges Unternehmen, das an jenem Tag mit einem erhebenden Szenarium zu Ende ging. Als die Fregatte „Santa Maria“ am 23. November in den Hafen von Rota einlief, spielte eine Musikkapelle auf, nach dem Ankern hieß der Chefadmiral der Flotte die Besatzung willkommen und beglückwünschte sie: „Ihr seid der beste Beweis dafür, daß es keine Probleme gegeben hat, die ihr nicht zu meistern verstanden hättet...“ Erneuter Tusch der Militärkapelle. Unten warteten ungeduldig die Eltern der Matrosen, um sie nach drei Monaten Mission im Golf wieder in die Arme nehmen zu können. „Nach ihren Bemerkungen zu urteilen“, hatte am Tag zuvor das inoffizielle Regierungsorgan 'El Pais‘ zum Eintreffen der anderen beiden Kriegsschiffe aus dem Golf festgestellt, „hat es sich für fast alle gelohnt, diese Erfahrung zu machen.“ Dementsprechend heiter und unbesorgt sind sie denn auch, zumindest 'El Pais‘ zufolge. „Einige Matrosen zeigten die Geschenke, die sie in Ägypten gekauft hatten, während andere leise erzählten, wie schwierig es sei, sich einer Araberin zu nähern. Die Väter schauten stolz auf ihre Söhne, als diese berichteten, wie sie vier Tage lang in Alarmbereitschaft gewesen seien aus Furcht vor einem Luftangriff der irakischen Truppen.“

Die Entscheidung der spanischen Regierung, drei Schiffe mit zugehöriger Besatzung in den Golf zu schicken, war in der Bevölkerung keineswegs von Begeisterungsschreien begleitet. Militärische Abenteuer sind in Spanien überhaupt nicht gern gesehen, und immerhin hatten die regierenden Sozialisten das Referendum über den Verbleib des Landes in der Nato 1986 nur sehr knapp und hauptsächlich aus innenpolitischen Gründen gewonnen. Die Verabschiedung des ersten Truppenkontingents in den Golf Ende August war denn auch nicht nur von Tränenausbrüchen und gelegentlichen Ohnmachtsanfällen der Matrosenmütter begleitet gewesen, sondern Pazifisten hatten Protestaktionen im Hafen selbst sowie in Madrid durchgeführt, Intellektuelle hatten Protestresolutionen verabschiedet, und die linken Splittergruppen im Land hatten einige Diskussionen und Demos organisiert. Daß die derart in den Kampf verabschiedeten Matrosen großteils noch keinerlei Ausbildung genossen hatten und diese auf der dreiwöchigen Reise ins Krisengebiet in einem Schnellkurs nachholen mußten, war zum Thema des Spotts der nichtregierungstreuen Presse geworden.

Doch die Presse verlor nach den ersten Tagen das Interesse an den schwimmenden Rekruten, und die Linken konnten sich wie üblich auf keine andauernde Mobilisierung zu dem Thema einigen. So blieb nur in einer Bevölkerungsgruppe die Wut wach: bei den einfachen Familien, deren weibliche Oberhäupter im plötzlichen Entzug ihrer Söhne eine Unverschämtheit sahen. „Sollen doch der König und sein Sohn Felipe in den Golf ziehen, statt unsere Söhne dorthin zu schicken“, ereiferten sich dicke Matronen in öffentlichen Bussen in Richtung Stadtrand, „soll doch die Regierung selber dort nach dem Rechten sehen“, und die Umstehenden nickten und fügten hinzu, wen aus der Regierung sie am liebsten im Krisengebiet sähen. Daß Prinz Felipe den Truppen im Golf tatsächlich eine Höflichkeitsvisite abgestattet hatte, war den wütenden Müttern egal: Für dessen Sicherheit war schließlich gesorgt worden.

Der sozialistischen Regierung ist die Volkswut offensichtlich gleichgültig. Nach ihrer Rückkehr drei Monate später legten die Schiffe in einem gesonderten Teil des Hafens an. So wurden unbequeme Aktionen von Kriegsdienstverweigerern vermieden, und Familienangehörigen von Heimkehrern bezahlte das Verteidigungsministerium die Reisekosten bis zum Hafen. Immerhin hält die Wut der Eltern nur drei Monate vor: bis ihre Söhne wieder zu Hause sind. Die Verabschiedung des Nachschubs an Soldaten, die im November auf drei neuen Schiffen in Richtung Golf ausliefen, sah in der Presse bereits wesentlich weniger dramatisch aus, schließlich hatte man das schon mal. Bald werden die Zeitungen erneut Bilder von alkoholisierten, aufgekratzten Soldaten auf Landurlaub zeigen und 'El Pais‘ wird wieder feststellen, daß die Moral der Truppe gut ist, auch wenn immer wieder einzelne Wehleidige darunter zu finden sind. Allein bleiben die Rekruten mit ihrer Angst vor dem Tod, allein die Eltern mit ihrer Angst um ihre Söhne, und allein die Linke, die Volkes Wut nicht aufzugreifen und ihr Stimme zu verleihen weiß.

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