Thatcher liebäugelte mit Gladio

■ Kriegserprobte britische Geheimdienstler wollten eine bewaffnete Parallelstruktur zum „MI6“ aufbauen/ Einsatz in Malvinen erwogen/ Schweizer Jurist klagt gegen „P-26“

Berlin (taz/afp) — Während eine europäische Regierung nach der anderen ihre nationale Gladio-Truppe auflöst oder zumindest die Existenz einer Geheimorganisation im Nato- Dienst zugibt, schweigt sich die britische Regierung — auch unter ihrem neuen Chef Major — beharrlich aus. Dabei liegen inzwischen zahlreiche Hinweise über eine ausgesprochen starke britische Beteiligung an der geheimen Struktur vor. Nach Informationen des 'Guardian‘ soll die Truppe sogar zu Beginn der achtziger Jahre noch einmal ernsthaft für besondere politische Aufgaben im Gespräch gewesen sein. Kurz nach ihrem Amtsantritt habe Margaret Thatcher erwogen, die Nachkriegsorganisation wiederzubeleben. Unterstützt wurde die Tory in ihrem bis heute geheimgehaltenen Vorhaben von einer Gruppe britischer Geheimdienstoffiziere. Erst der Skandal um die Verwicklung des französischen Geheimdienstes in die Versenkung des Greenpeace-Schiffes Rainbow- Warrior soll Thatcher von ihrem Vorhaben abgebracht haben.

Die Gruppe von früheren Geheimdienstoffizieren, die von kriegserprobten Geheimdienstlern angeleitet wurde, wollte eine bewaffnete Parallelorganisation zum britischen Geheimdienst „MI6“ aufbauen, heißt es im 'Guardian‘. Der Plan war, die Geheimorganisation auch im Malvinenkrieg gegen Argentinien einzusetzen. Dort sollte sie Widerstandsgruppen gegen die Militärjunta in Buenos Aires mit Waffen versorgen. Beteiligt an den Vorbereitungen waren unter anderem Airey Neave, ein enger Berater von Margaret Thatcher, der 1979 bei einem Attentat ums Leben kam, und George Kennedy Young, aus der Führungsspitze des MI6.

In der Frühzeit von Gladio war Großbritannien vor allem an der Ausbildung anderer europäischer „Gladiatoren“ beteiligt. Seit 1950 sollen britische Experten unter anderem auch ihre Schweizer „Geschäftspartner“, „P-26“ genannte Geheimarmee, ausgebildet haben, geht aus dem Bericht einer parlamentarischen Untersuchungskommission in Bern hervor.

In der Schweiz hat unterdessen ein Anwalt Klage gegen die Hauptverantwortlichen der P-26 eingereicht. Pierre Joset wirft den militärischen Chefs zahlreiche Gesetzesbrüche vor, darunter Hochverrat, Gefährdung der verfassungsmäßigen Ordnung und Fälschung und Vertrauensmißbrauch. Die geheime Organisation P-26 mit 400 Mitarbeitern wurde vom Verteidigungsministerium ohne Wissen des Parlaments finanziert. Angeblich diente sie dazu, im Fall einer ausländischen Invasion den Widerstand in der Schweiz zu organisieren. Allerdings pflegte auch die P-26 enge Kontakte zur Nato, insbesondere zu der Partnerorganisation BND, die ihrerseits die deutsche Gladio—Zweigstelle beherbergt. Praktischerweise waren die Schweizer gleich auch mit der in Nato-Geheimdienstkreisen üblichen Gerätschaft ausgerüstet.

Einen Vorschlag für die künftige Verwendung der Kriegskasse von Geheimorganisationen hat gestern der Schweizer Verteidigungsminister Kaspar Villinger gemacht. Er plädiert dafür, daß die Millionen der erst kürzlich enttarnten Geheimarmee für wohltätige Zwecke an das Rote Kreuz gespendet werden. Soweit bekannt, verfügt die P-26 über eine Finanzreserve von mindestens sechs Millionen Franken (ca. 7 Millionen DM). Falls der Vorschlag sich europaweit durchsetzt, wird das Rote Kreuz noch um viele Millionen reicher werden. dora