: Das fröhliche Intrigenkarussell
■ Jeff Bleckners Politthriller „Günstling der Hölle“, 20.15 Uhr, ARD
Der aufstrebende Yuppie-Senator Terry Fallon (Harry Hamlin) wird bei einem Attentat auf den nicaraguanischen Contra-Leader Colonel Martinez angeschossen. Blutüberströmt schleppt sich der smarte Junge, der so aussieht, als hätte er nie schwer arbeiten müssen, ans Mikrofon und faselt irgendetwas von Solidarität mit Lateinamerika. Bundesweit live übertragen, macht dieses Fanal den Mittelfeldpolitiker über Nacht zum Fernsehstar.
Fallon, der noch vor kurzem in der Provinz Geschichte unterrichtete, ist bis in die Haarwurzeln hinein das Produkt seiner mit allen Wassern gewaschenen PR-Managerin Sally Crain (Linda Kozlowski). Ihr Plan, Fallon just in dem Moment aufzubauen, als die krisengeschwächte US-Regierung unter Präsident Baker (James Whitemore) auf das telegene Charisma des nicht zufällig an John F. Kennedy erinnernden Fallon angewiesen sein würde, ist von langer Hand eingefädelt. Selbst das Attentat kurz vor den Wahlen wirkt nicht ganz zufällig. Als der vom Höhenrausch gepackte Fallon darauf nach dem Präsidentenstuhl giert, kommt es zum Bruch mit der politischen Marionettenspielerin Sally. Fallon erweist sich als hausbackener Brachialfascho, der die Gunst der Stunde als Auftrag begreift, mal wieder so richtig aufzuräumen.
Unterdessen wird der ausgebuffte FBI-Agent Nick Mancuso (Robert Loggia) mißtrauisch, weil nur er und sein junger, unerfahrener Kollege Ross (Lance Guest) auf das Attentat angesetzt wurden. Wohingegen bei Staatsaffären für gewöhnlich eine halbe Armee ausrückt. Bei der Obduktion kommt heraus, daß Martinez bei einer Routine-Untersuchung einige Tage zuvor mit Aids infiziert wurde: Aids als politische Waffe? Vergebens mahnt der kurz vor der Pension stehnde Polizist seinen blauäugigen Freund zur Vorsicht: „Wenn die Regierung so wäre, wie sie aussieht, dann wäre dies ein wunderbares Land.“
Als Ross das Opfer des intrigenverseuchten Machtkarussels wird, platzt Mancuso der Kragen. Er, der nicht wenig an Gene Hackman erinnert, ist eine Art Superman kurz vor dem Ruhestand: „1953 mußte ich Kommunisten für McCarthy jagen. Heute ist das Wort McCarthy ein Schimpfwort. 1960 mußte ich einen schwarzen Prediger in Alabama abhören. Jetzt ist sein Geburtstag ein Nationalfeiertag. 1971 habe ich Deserteure nach Kanada verfolgt. Dann erteilte ihnen Carter Amnestie auf einer Party.“ Mancuso reaktiviert alte Verbindungen zu Schreibtischtätern in den oberen Etagen, die sich „die Ärsche platt sitzen und dafür eine eigene Krankenversicherung für Hämoriden haben“.
Wie ein Brettspieler wirbelt Mancuso die von Korruption, Intrigen, Morden und Machtkämpfen erschütterte Regierung durcheinander. Nur der Präsident erweist sich als integer und dankt dem Under-cover-Helden für die saubere Arbeit. Mancuso unterschreibt gerade seine Entlassungspapiere, als das Telefon klingelt. Die schnippische Angestellte ist erstarrt, als „Mister President“ persönlich am Apparat ist und nach Mancuso verlangt: „Vielleicht habe ich gedacht, diese Nation bräuchte eine zweite Chance“, sagt der im Grunde warmherzige Zyniker Mancuso.
Das wirkt so überamerikanisch dreist, daß es sich als Klischee wieder selbst entlarvt. Überhaupt ist die vierstündige Miniserie, die in den USA kurz vor den Wahlen Furore machte, geschickt ausballanciert zwischen thrillerartiger Soap-Opera-Atmosphäre, die jedoch komplex aufgebaut und mit kritischen Randbemerkungen angereichert ist. Drehbuchautor und Koproduzent Steve Sohmer hat die Namen der Protagonisten so gewählt, daß sich Anspielungen auf demokratische und republikanische Politiker die Waage halten. Mit dem wie angeklebt wirkenden positiven Ende wollte Sohmer das Vertrauen in die amerikanische Idee stärken. Das TV-Publikum war natürlich eher an den Intrigen interessiert. Die 'Washington Post‘ war von der Authentizität des Politthrillers (der in Deutschland erfolgreich auf dem Videomarkt lief) beeindruckt. Nur das Fernsehen, so der Tenor des Ganzen, ist so mächtig, daß es derart harsche Kritik, nach welcher Präsidenten nur vom Fernsehen gemacht werden, auch noch ausstrahlen kann (Teil 2 und 3 werden am 14. und 15. Dezember gezeigt). Manfred Riepe
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen