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Mehr Rechte für Hausbesitzer

■ In John Schlesingers Film „Fremde Schatten“ bricht das Unheil in Gestalt eines Untermieters über die Helden herein

Wenn später mal einer seine Miete nicht bezahlt, geht ihr beide unter wie die Titanic“, warnt Dorian seine Freunde. Eine idiotische Warnung, wozu gibt es schließlich diese kleinen, gelben Formulare, die einen Hausbesitzer berechtigen, die Kreditwürdigkeit seiner zukünftigen Mieter zu überprüfen? Patty (Melanie Griffith) und Drake (Matthew Modine) haben sich in eine viktorianische Bruchbude mit Ausblick verliebt und kaufen sie. Das bringt ihnen außer dem Besitz riesige Hypothekenschulden bei der Bank: Einzug der Familie Watanabe und von Carter Hayes.

John Schlesinger hat mit Fremde Schatten einen Untermieterthriller gedreht, und er weiß, was er seinem Publikum schuldig ist. Im Halbdunkel blitzende Rasierklingen und eine weiße Katze als wiederkehrender Bote des Unheils verbreiten genug Atmosphäre, um Leute in Spannung zu halten, die nicht regelmäßig das Texas Chain Saw Massacre zum Frühstück konsumieren. Das Thema des Films — es gibt verschiedene Möglichkeiten, sich Ärger aufzuhalsen, und Hausbesitzer werden ist eine davon — ist nicht der Rede wert, doch Griffith/Modine/Keaton sind das Eintrittsgeld allemal wert.

Patty und Drake sind ein etwas unbedarftes Paar. Keine Yuppies. Er arbeitet in einer Drachenfabrik, sie ist Reitlehrerin: „Was denken wir, wenn wir auf dem Pferd sitzen?“ Antwort: „Ich bin der Boss.“ Patty mißtraut dem neuen Untermieter, aber noch hat Drake die Hosen an: „Vermieten ist kein Problem, alles eine Frage des gesunden Menschenverstandes.“ Carter Hayes (Michael Keaton) wedelt mit einem Bündel Geldscheine und schon ist der Verstand dahin. Michael Keaton hat das richtige Gesicht für einen Bösewicht. Pausbacken, Stupsnase und Kraushaar verleihen ihm eine knuddelige Unscheinbarkeit. So vertrauenerweckend! Hinter der Fassade eine Schlange — ein Typ, der sein Geld damit verdient, daß er Hausbesitzer ruiniert.

Als Drake dahinterkommt, führt er sich auf wie John Wayne höchstpersönlich. Er brüllt, daß die Wände wackeln, dreht dem neuen Mieter den Strom ab und zettelt eine Schlägerei an, bis der Richter ihm Hausverbot erteilt — in seinem eigenen Haus. Schlesinger macht klar, warum es keine Westernhelden mehr gibt. Kastriert durch das Gesetz.

Abonniert auf „schwierige Persönlichkeiten“ in Birdy und Full Metal Jacket, wollte Modine eigentlich die Rolle des Bösewichts spielen. Er dachte wohl, es würde ein psychologischer Thriller, doch Schlesinger interessiert überhaupt nicht, warum Hayes sein Geld auf diese Weise verdient. Er ist reich und hat es eigentlich nicht nötig. Also ist er ein Psychopath, basta. Daß Modine keine Lust hatte, die Rolle des Drake zu spielen, wirkt sich durchaus positiv auf seine Glaubwürdigkeit aus: Nörgelnd verzieht er sich vor den Fernseher (Hausfrauenwerbung), als er mit seinen kindlichen Wutausbrüchen nichts gegen Hayes ausrichten kann. Bühne frei für Melanie Griffith!

Wenn Patty ihr Mißtrauen zum Ausdruck bringen will, hebt Melanie Griffith das Kinn zwei Zentimeter. Keine Tricks, kein doppelter Boden. Sie ist das perfekte Gegenstück zu ihrem leicht hysterischen Drake und dem schleimigen Hayes („Ich bitte Sie lediglich, das zu tun, was Ihr Herz Ihnen sagt.“). Patty hat eine Fehlgeburt — Frauen brauchen immer einen emotionalen Schock, bevor sie sich zum Handeln entschließen —, dann nimmt sie den Kampf gegen Hayes auf. Zu Drake am Telefon: „Stell mir jetzt keine Fragen, tu einfach, was ich dir sage.“ Griffith hat Format.

Hayes auch. Er revanchiert sich. Anja Seeliger

John Schlesinger: Fremde Schatten. Mit Melanie Griffith, Matthew Modine, Michael Keaton, Tippi Hedren. USA 1990, 102 Minuten.

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