: Gesetzlich verankerte Ausländerfeindlichkeit
■ Spaniens Ausländergesetz ist das härteste in der EG EUROFACETTE
Um die Rolle zu analysieren, die Spanien zur Zeit in Bezug auf die neuen Migrationsströme in Richtung EG spielt, müssen einige Facetten beleuchtet werden, die bislang nicht immer ausreichend berücksichtigt worden sind.
Seit der Bildung des spanischen Nationalstaats ist die Fremdenfeindlichkeit hier verfassungsmäßig verankert. Die katholischen Könige gründeten einen Staat, aus dem unverzüglich die Juden ausgewiesen wurden, die seit Jahrhunderten im Lande gelebt hatten, und nach dem militärischen Sieg über den Islam wurden Stück für Stück die Identitätsmerkmale der sogenannten Mudejaren, der spanischen Araber, ausgemerzt.
Diese Feststellung ist nicht unwichtig. Noch heute kann man die zahlreichen Anforderungen und Beschränkungen nachverfolgen, die jahrhundertelang im Zivilrecht, in Handelsgesetzgebungen, in Prozeßregelungen etc. gegenüber den Ausländern angewandt wurden. Die Errungenschaften der französischen Revolution, die die Gleichheit zwischen den Menschen zum Gesetz erhob, fanden in Spanien erst sehr spät Verbreitung, und zwar durch die Liberalen, die sich ständig mit den Mächtigen auseinandersetzen mußten, da diese eine fast mittelalterliche und rückständige Kultur aufrechterhalten hatten.
Soweit zu den historischen Vorläufern. Die Verfassung, die 1978 verabschiedet wurde und die politische Transition vom frankistischen Regime hin zu einer neuen Situation, einem „sozialen und demokratischen Rechtsstaat“, gewährleistet, ist ein liberaler Pfeiler in dieser Auseinandersetzung. In ihr wird festgestellt, daß „die Ausländer in Spanien die selben Rechte innehaben wie die Spanier“ und daß die Gewährleistung dieser Rechte durch das Grundgesetz, das heißt durch das höchste Gesetz, gesichert wird. In der Realiät ist jedoch genau dieses Grundgesetz, das Ausländergesetz, die Ursache für alle Probleme der Ausländer in Spanien, denn es sorgt dafür, daß es den Ausländern de facto unmöglich gemacht wird, Recht zu bekommen.
Das Gesetz 7/85 über Rechte und Freiheiten der Ausländer in Spanien (so lautet der nette und völlig irreale Name des Gesetzes) ist das härteste Ausländergesetz in der gesamten Europäischen Gemeinschaft und dient ausdrücklich dazu, die Ausländer „zu kontrollieren, zu unterdrücken, selbst zu verhaften oder auszuweisen“, da sie, dem Geist des Gesetzes zufolge, jederzeit verdächtig sind, Verbrecher, Drogenhändler, Kleinkriminelle etc. zu sein oder sich den Sitten des Landes nicht zu beugen. Das bedeutet, es handelt sich nicht um ein Immigrationsgesetz, sondern um ein Gesetz zur Kontrolle der Migration, die als unerwünschtes Problem angesehen wird.
Man kann sagen, daß im spanischen Staat die Gesetze zwar formal die Rechte der Ausländer anerkennen, ihre Ausübung jedoch unmöglich ist. Denn um sie wahrnehmen zu können, müssen Ausländer zuvor eine Unzahl von Anforderungen erfüllen, die sie keineswegs auf eine gleiche Ebene mit den Spaniern stellen, wie es das Gesetz formuliert. Dazu gehört, daß die Gemeinschaften von Ausländern weder mit materiellen noch mit rechtlichen Mitteln rechnen könnten, die es ihnen erlauben würden, eine eigene Identität augenfällig zu machen oder zu entwickeln.
Die Probleme, die der Mangel an Ausländerpolitik und an Integrationswillen schaffen, versetzen die Ausländer in Spanien in extreme Situationen — so gibt es zur Zeit 300.000 Ausländer ohne Papiere, die zu Unrecht Illegale genannt werden, denn erst das Ausländergesetz macht sie zu solchen. Ein kultureller Austausch und ein Beitrag seitens der Kulturen der Ausländer, die hauptsächlich aus Lateinamerika, Nordafrika und Schwarzafrika stammen, ist unter diesen Umständen nur schwer vorstellbar. Denn für sie alle führt diese Politik dazu, daß grundlegende Rechte wie Unterricht in der Muttersprache, Sozialversicherung und Anrecht auf eine Sozialwohnung, die Entwicklung der eigenen Kultur etc. zu Privilegien für einige wenige „Legalisierte“ werden, die dies auf eigene Initiative und Kosten zu übernehmen in der Lage sind.
Einem Bericht des Innenministeriums zufolge, der gerade im Parlament beraten wird, beabsichtigt die Regierung, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus — nach einem Bericht der Europäischen Kommission von 1989 der stärkste in der EG — durch die Integration der Ausländer zu bekämpfen, die schon einmal da sind, und ansonsten die Grenzen definitiv zu schließen — getreu der Devise, wo es nicht viele Ausländer gibt, treten weder Fremdenfeindlichkeit noch Rassismus noch soziale Spannungen auf.
Von der Gesamtzahl der fast 900.000 Ausländer, die in Spanien leben oder arbeiten (knapp 1,5 Prozent der Bevölkerung) setzt sich die legalisierte Mehrheit zu einem übergroßen Teil aus Menschen aus EG-Ländern zusammen. Illegalität und extreme Lebens- und Arbeitssituationen sowie Ausweisung (1989 waren es 8.000) und Zurückweisungen an der Grenze (1989 waren es 43.000) erleiden die Immigranten aus der Dritten Welt. Das ist symptomatisch für das heutige Spanien, das sich am Projekt Europa ausrichtet. Außen vor bleiben die Immigranten aus Afrika, die an der Grenze zwischen dem reichen Norden und dem armen Süden darum kämpfen, daß sich die Tür der Solidarität öffnet. Doch die bleibt heute, was Spanien angeht, verschlossen. Rafael Guardo
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