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Bundesrat streitet für Ostbeamte

■ Sachsens Ministerpräsident Biedenkopf sieht qualifizierte Ostarbeitnehmer auf dem Weg nach Westen/ Bundesrat will leitenden Staatsbediensteten im Osten 49 Prozent der Westgehälter zahlen

Bonn/Berlin (ap/dpa/taz) — Der Bundesrat will die BeamtInnen in den fünf neuen Bundesländern besser bezahlen als von der Bundesregierung geplant. Die Länderkammer änderte gestern auf einen Antrag Sachsens hin eine von der Regierung vorgelegte Besoldungsübergangsregelung. Leitende BeamtInnen der Besoldungsgruppe B in Landes- und Kommunalverwaltungen sollen danach ab April bis zu 49 Prozent der Bezüge ihrer Westkollegen erhalten— statt 35 Prozent, wie die Bundesregierung vorgeschlagen hatte.

Der sächsische Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) wies in seiner Antrittsrede vor dem Bundesrat darauf hin, daß bereits jetzt von einem „einheitlichen Arbeitsmarkt“ in Gesamtdeutschland gesprochen werden müsse, besonders bei qualifizierten Kräften, die ins Bundesgebiet abwanderten. Außerdem würden westliche Investoren in den neuen Bundesländern vielfach „Fachkräfte zu westlichen Preisen anwerben“, so Biedenkopf.

Nach Auffassung der Länder sollten die Bezüge aller BeamtInnen und Angestellten in den neuen Ländern spätestens zum April kommenden Jahres angepaßt werden. Die Verordnung sieht ferner vor, daß LehrerInnen in Ostdeutschland zunächst bis zu drei Besoldungsgruppen niedriger eingruppiert werden. Beamte, RichterInnen und Soldaten, die vom Westen in den Osten wechseln, sollen keine Gehaltseinbußen hinnehmen müssen.

In Kraft setzen kann die Verordnung allerdings nur die Bundesregierung, für die sich gestern Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) und sein Staatssekretär Carl-Dieter Spranger (CSU) gegen die Aufstockung der Bezüge auf 49 Prozent vehement wehrten. Schäuble hatte die Ansicht vertreten, daß eine solche Aufstockung die Gewerkschaftsforderungen bei den anstehenden Tarifverhandlungen vorzeitig in die Höhe treiben werde. Das Bonner Kabinett muß nun — voraussichtlich am Dienstag — entscheiden, ob es die Änderung des Bundesrates akzeptiert. Andernfalls müßte die Bundesregierung eine Kompromißvorlage erarbeiten, die dann allerdings erst auf der Bundesratssitzung im März verabschiedet werden könnte.

Angesichts sinkender Einnahmen der ostdeutschen Bundesländer hat der sächsische Finanzminister Georg Milbradt darüber hinaus neue Verhandlungen über Hilfen von Bund und alten Ländern für Ostdeutschland gefordert. Er warnte gestern in Bonn vor einer „Bevölkerungsbewegung“ durch Abwanderung aus der früheren DDR. Bereits jetzt verließen rund 10.000 Menschen im Monat allein den Freistaat Sachsen.

Der Bundesrat faßte außerdem unter anderem folgende Beschlüsse:

—Militärische Tiefflüge über die Bundesrepublik sollen einstweilen ausgesetzt, Luftkampfübungen über bewohntem Gebiet unverzüglich eingestellt werden.

—Die Bundesregierung soll versuchen, in Verhandlungen mit den Bündnispartnern die Vorrechte der Nato-Truppen bei Manövern und Übungen im westlichen Bundesgebiet zu beseitigen.

—Der Schutz vor „Kredithaien“ wird durch ein neues Gesetz erheblich verstärkt. dri

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