: Lauter gute Freunde
■ Die Massenorganisation mit den allermeisten Mitgliedern in Deutschland hat sich vereint
Der deutsche Sport ist seit Samstag unter dem Dach des Deutschen Sportbundes (DSB) vereint. Die Hauptausschußsitzung des DSB nahm in Hannover zunächst die fünf neuen Landessportbünde Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen Brandenburg und Mecklenburg einstimmig auf. Anschließend wählte der DSB-Bundestag den 64 Jahre alten Flensburger Hans Hansen für vier weitere Jahre zum DSB-Präsidenten. Durch die Vereinigung wuchs die größte Personenvereinigung der Bundesrepublik auf über 24 Millionen Mitglieder in 75.000 Vereinen.
Einen bedeutenden Raum nahm die Dopingproblematik ein. Der Bundestag verabschiedete eine Resolution, in der sich der DSB zu seiner „Verantwortung für einen von jeglicher Manipulation freien und humanen Leistungssport“ bekennt.
Aufsehen erregte der Aktivensprecher Volker Grabow mit seiner Aussage: „In einigen Disziplinen ist weit mehr gedopt worden, als an Einzelfällen in den Medien veröffentlicht worden ist.“ Die Anabolikakontrollen „in der Vergangenheit waren absolut unwirksam“. Die Sportler fordern jetzt glaubwürdige, unangemeldete Kontrollen zu jeder Zeit, auch wenn „uns eine internationale Lösung noch weit entfernt scheint“.
Hansen erkärte in seinem Rechenschaftsbericht für die letzten vier Jahre: „Die Ausmaße der bekanntgewordenen Leistungsmanipulationen bekommen existentiellen Zuschnitt. Wenn wir uns jetzt nicht zu einem Radikalschnitt entschließen und uns nur halbherzig der Problembewältigung nähern, verspielen wir schneller, als wir jetzt noch ahnen, unseren noch vorhandenen Kredit an Glaubwürdigkeit.“ Der Deutsche Turn- und Sportbund (DTSB) der ehemaligen DDR hatte am 5. Dezember in Berlin seine Auflösung beschlossen, die zum 1. Januar 1991 wirksam wird. Der bisherige DTSB-Präsident Martin Kilian wurde, neben Dieter Graf Landsberg-Velen, Prof. Dr. Ommo Grupe, Erika Dienstl und Manfred von Richthofen, zu einem von fünf Vizepräsidenten gewählt. Präsident Hans Hansen erklärte im Vorfeld des Zusammenschlusses, er habe Kilians Vergangenheit „eingehend geprüft“, um eine Affäre wie um den NOK-Vizepräsidenten Weißkopf auszuschließen.
Als Beisitzer ziehen die beiden Professoren Dr. Gerhard Junghänel (Potsdam) und Dr. Manfred Thieß (Jena) in das auf 18 Personen erweiterte Präsidium ein.
Mit der um den Sport der ehemaligen DDR erfolgten Ausweitung des DSB, der am Freitag in Hannover sein 40jähriges Bestehen gefeiert hatte, ist der Vereinigungsprozeß des deutschen Sports im wesentlichen abgeschlossen. Vor vier Wochen hatten sich die Nationalen Olympischen Komitees (NOK) zusammengeschlossen. Zu Beginn des kommenden Jahres fusionieren die letzten Fachverbände.
Hansen nannte die Vereinigung unter dem Dach des DSB einen „historischen Tag“. Nun müsse man „alles tun, um zusammenzuwachsen zu einer Gemeinschaft guter Freunde“. Dazu könnten auch ehemalige SED-Mitglieder gehören, denn eine Mitgliedschaft in dieser Partei schließe nach Hansen eine neue Funktion im deutschen Sport nicht aus. „Wer allerdings durch Entscheidungen andere Menschen benachteiligt oder diskriminiert hat, müsse mit gravierenden Konsequenzen rechen.“ dpa
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