: Kontingent für jüdische EmigrantInnen?
Innenministerkonferenz empfiehlt Aufnahme sowjetischer Juden nach dem Kontingentflüchtlingsgesetz/ Bayern hofft, daß neue Bundesländer Druck auf Asylrecht verstärken ■ Aus Dresden Detlef Krell
Ganze fünf Zeilen der siebenseitigen Pressemitteilung zur ersten gesamtdeutschen Innenministerkonferenz am Wochenende in Dresden sind der Aufnahme jüdischer Emigranten aus der UdSSR vorbehalten. Die Konferenz habe sich „grundsätzlich für die Aufnahme jüdischer Emigranten aus der Sowjetunion ausgesprochen“ und der Ministerpräsidentenkonferenz, die in den nächsten Tagen in München zusammentritt, „empfohlen, die Voraussetzungen für eine Aufnahme nach dem Kontingentflüchtlingsgesetz zu schaffen“.
Der baden-württembergische Innenminister Dietmar Schlee, scheidender Vorsitzender der Konferenz, erklärte die Zurückhaltung in dieser Frage. Es sei eine „enge Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern notwendig“. Die Innenminister hätten keinen Vorschlag über Zahlen gemacht. Es werde vor der Ministerpräsidentenkonferenz weitere Gespräche geben.
Staatssekretär Neusel widersprach Vermutungen über einen „Kriterienkatalog“ aus dem Hause des Bundesinnenministeriums nach dem die jüdischen Emigranten ausgesucht werden sollen. Es gebe keinen Katalog dieser Art, „aber es gab natürlich Überlegungen, welche Auswanderungswilligen aus Rußland hier am besten integrierbar seien“. Dabei könne man „zu Überlegungen kommen, daß die Juden, die schon die deutsche Sprache beherrschen, besser geeignet sind als andere, die hier völlig fremd sind“. Zwar stehe er hinter der Forderung des Zentralrates der Juden, keinerlei Auswahl zu treffen. Doch man müsse auch fragen, wie man „die Integrationsfähigkeit am besten gewährleisten“ könne. Der IMK-Pressesprecher verwies am Rande der Pressekonferenz auch auf die außenpolitische Dimension der Aufnahme jüdischer Emigranten. Der Botschafter des Staates Israel habe in Bonn erklärt, zuerst käme das Heimatland Israel für die jüdischen Emigranten in Frage. Dagegen sage der Vorsitzende des Zentralrates der Juden, man müsse alle nach Deutschland lassen. So habe sich die Innenministerkonferenz „auf einer Gratwanderung“ befunden.
Zweites großes Thema der IMK war die Asylpolitik, die von Schlee gleich neben der Kriminalitätsbekämpfung zur „wichtigsten Herausforderung der nächsten Jahre“ erklärt wurde. Bayerns Innenminister Stoiber freute sich: Die Probleme in den fünf neuen Bundesländern werden den Druck in Richtung einer Änderung des Asylrechts immer mehr verstärken. Wie weit so eine Änderung gehen müßte, darüber habe die Innenministerkonferenz noch kontrovers diskutiert. Doch sie „hält es für unumgänglich, daß der Staat rasch den rechtlichen Handlungsspielraum erhält, um auf die Zuwanderungsprobleme im gesamtstaatlichen Interesse wirksamer reagieren zu können“. Die Länder wollen „das Menschenmögliche tun“, doch „der Widerstand in der Bevölkerung wächst“. Knapp 200.000 Asylbewerber waren, wie Schlee informierte, in diesem Jahr aufzunehmen, im Vergleich zu 120.000 im vergangenen Jahr. Abschiebungen von den alten in die neuen Bundesländer würden nichts bringen, denn „wir sitzen alle in einem Boot“. Statt Aufnahme von Asylbewerbern deutlich mehr Entwicklungshilfe, so lautet eines der von der Konferenz vorgeschlagenen Rezepte, die Flüchtlingsbewegungen einzudämmen. Hinzu kommen Strukturhilfen für „wirtschaftlich benachteiligte Länder“, Rückkehrhilfen für Flüchtlinge, und — wie die Abschottung gegen Flüchtlinge beschönigt genannt wird — eine „geordnete Grenzöffnungs- und Visumpoliltik“ und die als „Harmonisierung des Asylrechts in Europa“ umschriebene Mauer um den künftig einheitlichen Markt.
Feinfühlig hatte Schlee die Notwendigkeit neuer Grundsätze in der Flüchtlingspolitik mit der Bekämpfung des internationalen Terrorismus mehrfach in einem Atemzug genannt. „Ureigenste Sache der Innenministerkonferenz“ sei es, „in den nächsten Monaten in der Änderung des Asylrechts voranzugehen, so wie wir es mit unserem Gesetzentwurf zur organisierten Kriminalität gemacht haben“. Eine „bundesweite Gesamtkonzeption zur Bekämpfung des Terrorismus“ wird erarbeitet. Für ein verbessertes „Lagebild Terrorismus“ wäre die „Einbeziehung aller relevanten Erkenntnisse, die auf Bund-Länder-Ebene bei den Sicherheitsbehörden anfallen“, notwendig. Den entscheidenden Ansatz gegen „die staatenübergreifenden unheilvollen Allianzen“ sieht die Konferenz der Innenminister in der internationalen Zusammenarbeit.
Die zweitägige Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder befaßte sich darüber hinaus mit der polizeilichen Zusammenarbeit zwischen den alten und neuen Bundesländern, ferner mit der lädierten Ansehen des Polizeidienstes sowie mit Sicherheitsfragen bei Sportveranstaltungen. Sie sprach sich in diesem Zusammenhang für eine „Hooligankartei“ aus.
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