: Lokal-TV eines Saubermanns
Höhepunkt einer rechtslastigen Karriere: Erlanger Unternehmer darf täglich im Raum Mittelfranken dreißig Minuten Lokalfernsehen auf RTL plus ausstrahlen/ Mitkonkurrenten wurden ausgebootet ■ Aus Nürnberg Bernd Siegler
„Das war der schnellste Sendestart in der Bundesrepublik.“ Der Erlanger Unternehmer Dietmar Straube hat allen Grund zur Freude, denn Ende November erteilte die Bayerische Landeszentrale für Neue Medien (BLM) der zur „Straube Communications Group“ gehörenden „Franken Funk und Fernsehen GmbH“ die vorläufige Genehmigung zur Ausstrahlung eines dreißigminütigen lokalen Fensterprogramms. Rund 800.000 Zuschauer können seit 10. Dezember die Drehscheibe Franken (Spielshows, Kurzberichte und Werbung) auf der Frequenz von RTL plus terrestrisch und weitere 140.000 per Kabel empfangen. Damit hat der rechtslastige Unternehmer, der vorher alle Ausschreibungsfristen versäumt hatte, alle anderen Mitkonkurrenten vorerst ausgebootet. Ein für den 49jährigen — für den Fernsehen der „konsequente Vollzug“ seiner unternehmerischen Absichten ist — wichtiger Erfolg.
Straubes Medienkarriere begann bereits während seines Medizinstudiums, als er die Zeitschrift 'Medizinstudent‘ harausgab. Nach seiner Promotion hob er den Perimed-Verlag für medizinische Zeitschriften und Fachbücher aus der Taufe. In diesem Verlag erscheint die mit 200.000 verkauften Kassetten im Jahr erfolgreiche ärztliche Videofortbildungsserie puls 1980 gründete Straube die Film- und Fernsehproduktion, im November 1983 wurde ein 3 Millionen DM teures professionelles Studio eingeweiht. Dort werden Werbespots oder Imagefilme für Unternehmen produziert. Mit der Einweihung des 18 Millionen DM teuren „Medien- und Congress-Centrums“ in Tennenlohe bei Erlangen, baute er sein kleines Imperium weiter aus. Dort stehen ihm zwei Studios zur Verfügung, die mit feinster Technologie ausgerüstet sinmd. Werbeaufträge, Videofortbildungskassetten, die jährlich 1,4millionenfach verkauften Fachzeitschriften und 10 Millionen medizinischer Aufklärungsbögen finanzieren den teuren Einstieg in das private Lokalfernsehen. Doch schon lange vor dem heißersehnten Fernsehstart entwickelte der erfolgreiche Unternehmer, der mittlerweile mit 120 Mitarbeitern einen Jahresumsatz von 40 Millionen DM erzielt, auch politische Allüren.
Vom Medizinstudenten zum Fernsehmacher
So engagierte sich Straube bei der CSU und zog 1984 in den Erlanger Stadtrat ein. Er gehört aber auch zu einem Kreis von Personen, die den Erlanger Verein „Bürger fragen Journalisten“ gründete. Die selbsternannten Medienkritiker ziehengegen die „tendenziöse Berichterstattung, Meinungsmanipultion und Machtmißbrauch“ zu Felde. Im Visier der TV-Saubermänner stehen dabei insbesondere vermeintlich linkslastige Magazine wie Monitor oder Panorama.
Im März 1989 schließlich erweiterte Straube sein Firmenimperium um einen Sachbuchverlag. „Ohne ideologische Prämissen, ohne politische Einseitigkeit“ lautete die Devise. Das Spektrum der Autoren gibt jedoch beredte Auskunft über Straubes politische Orientierung. So hat er neben den Mitverfassern des Parteiprogramms der „Republikaner“ Helmut Diwald und General a.D. Franz Uhle-Wettler auch den CDU- Rechtsaußen Jürgen Todenhöfer, den in nahezu allen rechtsextremen Publikationen gefeierten General a.D. Günter Kießling und den für die rechten Postillen 'Criticon‘ und 'Mut‘ publizierenden Kieler Professor Wolfgang Seiffert als Autoren gewonnen. Und im Sammelband Zur gegenseitigen Kenntnisnahme sind neben Unionspolitikern wie dem Exverteidigungsminister Rupert Scholz oder dem Exregierungssprecher Johnny Klein auch Klaus Hornung und Günter Rohrmoser, beide vom rechtskonservativen „Studienzentrum Weikersheim“, mit von der Partie.
Insbesondere mit dem „Studienzentrum“ verbinden Straube enge Bande. Das Studienzentrum und insbesondere „Chefdenker“ Rohrmoser als CSU-Berater profilieren sich als Hardliner in der Abtreibungsfrage und Gegner der „multikulturellen und libertären Parzellengesellschaft“. Der Dominikanerpater Heinrich Basilius Streithofen durfte Straubes neuen „Congress-Centrum“ die rechten Weihen geben. Streithofen erfüllte die in ihn gesetzten Erwartungen und polemisierte in seiner Festrede zur Eröffnung gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. „Diese Mausoleen der Fernsehtechnik“ müßten, so der Pater, „amputiert, zerschlagen und beschnitten“ werden.
Bei all diesen Kontakten ist es kein Wunder, daß Straube sich in das bereits abgeschlossene Ausschreibungsverfahren zur Lizenzvergabe des lokalen Fensterprogramms noch einmal einklinken konnte. Auf die erste Ausschreibung der mittelfränkischen Kabelgesellschaft im Oktober 1987 hat sich der kleine Medienmogul noch nicht beworben. Erst als am 7. November 1989 zwei Münchner Anbieter, die „Neue Welle Franken“ („Radio Charivari“) von Telefonbuchverleger Müller und dem bayerischen Mediengiganten Oschmann sowie Studio Gong vom Sebaldus-Verlag weitgehende Einigung erzielt hatten, reichte Straube noch am gleichen Tag seine Bewerbung ein — zwei Jahre nach Ablauf der Frist. Trotz des Protestes der Mitbewerber veranlaßte die BLM eine „Nachausschreibung“. Neben Straube bewarb sich dabei eine Anbietergemeinschaft aus dem in Köln ansässigen Kanal 4 und der Nürnberger Medienwerkstatt Franken. Letztere ließ Straube sofort links liegen und vermeldete im Juni, er werde bald auf Sendung gehen.
Mitbewerber wurden ausgebootet
Bereits im Juli suchte er per Zeitungsinserat ein Redaktionsteam. Es gebe „weitgehende Übereinstimmung zwischen ihm und den Nürnberger Verlagen Müller und Sebald“. Da davon jedoch keine Rede sein konnte, preschte Straube am 7. November 1990 vor und beantragte bei der Kabelgesellschaft die Lizenz: „Alle Vorbereitungen bei uns sind getroffen.“ Die BLM reagierte prompt und gestand ihm sogar die Geltendmachung von „Vorlaufkosten“ für weitere Anbieter zu. Straubes Pressechef Höber gibt offen zu, daß an der Höhe der Vorlaufkosten natürlich so mancher Einstieg weiterer Anbieter scheitern könnte. „Wir wollen hier nicht mit der Amateurkamera Fernsehen machen“, verweist er auf die gehobenen Ansprüche des Hauses. Schließlich will man ja, so der Chef, bereits in zwei Jahren schwarze Zahlen schreiben und bemüht sich bereits um mehr Sendezeit.
Während Kanal 4 und die Medienwerkstatt bei der BLM Widerspruch gegen die vorläufige Lizenzerteilung einlegten, war von Gong und Charivari nichts zu hören. So bleibt es Spekulation, ob die drei Großen sich mittlerweile hinter den Kulissen geeinigt haben. Straube rühmt sich zum Beispiel seiner „unverkrampften Beziehungen mit Herrn Oschmann“ (Charivari). Drei von vier Redakteuren der Straube Fernsehcrew stammen aus dem Hause Oschmann. So darf Straube vorerst konkurrenzlos täglich von 17.45 bis 18 Uhr seine Fränkie-Show mit dümmlichen Fragen zur fränkischen Mundart, Gebäuden und Persönlichkeiten senden sowie ab 18.30 Uhr bis 18.45 Uhr seine Kurzberichte wie zum Beispiel das aktuelle Interview mit dem Leiter des Nürnberger Tierheims, der tägliche Bericht zum Klima beim abstiegsgefährdeten 1. FC Nürnberg oder Meldungen aus Polizeiberichten. Politisch hält sich das Straube- Fernsehen auffallend zurück, man orientiert sich am Geschehen in den SPD-regierten Rathäusern der Städteachse Nürnberg-Fürth-Erlangen-Schwabach, eine Kommentierung unterbleibt. Die technische Qualität des Programms steht dabei im krassen Widerspruch zu den Möglichkeiten des professionellen Fernsehstudios. Unbeabsichtigte Schwarzbilder bei Schnittstellen, schlechte Ausleuchtung und Regiefehler kennzeichnen derzeit noch das Programm. Trotzdem ist Erlangens SPD-OB Dietmer Hahlweg begeistert und steht dem „Mut der Privatinitiative mit großer Sympathie“ gegenüber. Auch Teile der Grünen scheinen ihre Vorbehalte gegen Privatfernsehen in Unternehmerhand verloren zu haben. So gab sich die Landtagsabgeordnete Sophie Rieger als Premierenkandidatin der Fränkie-Show her und steckte überglücklich dank ihrer fränkischer Detailkenntnisse vier „Fränkies“ à 250 DM ein.
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