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Grüne lecken ihre Wunden

■ Aufarbeitung der Wahlniederlage im vollen Konsul-Hackfeld-Haus

Den stärksten Beifall des Abends erhielt eine, die erst nach der Wahlniederlage bei den Grünen eingetreten war, eine Studentin eher jüngeren Semesters, die am Montag abend im Kreis der Mitdreißiger bis Endvierziger eine seltene Ausnahme bildete: „Ich laufe hier immer gegen Mauern. Es fällt mir schwer, ständig über –What is left– diskutieren zu müssen. Solange ihr das nicht lernt, werdet ihr als 50- bis 60jährige alleine hier sitzen.“

Das war eine der wenigen Antworten auf die zwangsverordnete Frage „Wie weiter mit den Grünen“, der sich die Partei im Konsul-Hackfeld Haus stellte. Und wie im wirklichen Leben, so auch im Leben der Partei: Eine wirklich existenzbedrohende Krise führt erst einmal dazu, daß selbst Tiefzerstrittene gemeinsam die Stirn in nachdenkliche Falten legen. So gibt es von der Diskussion am Montag vor allem zweierlei zu vermelden. Erstens war das bei Landes-Mitglieder-Versammlungen oft peinlich leere Konsul- Hackfeld-Haus mit rund 200 Grünen und Nicht-Grünen gut gefüllt. Und zweitens versuchen die Grünen jetzt, offen all die Probleme anzusprechen, die sie seit Jahren unbewältigt mit sich herumschleppen.

Zum Beispiel den Ex-und Hopp-Umgang mit bekannteren Grünen PolitikerInnen: Da wollte einer der jüngeren Nichtgrünen, der sich ans Mikro traute, zwar nicht gleich einen Kaiser — „So radikal bin ich ja gar nicht“ — aber wenigstens Menschen, die als Personen für grüne Politik stehen. Andere kritisierten die Unehrlichkeit der Querrotationen von den Landes-in das Bundes- oder EG-Parlament oder in Parteifunktionen. Und auch bei den sogenannten „Linken“, für die beispielsweise Walter Ruffler steht, scheint ein Umdenken eingesetzt zu haben. Ruffler, bis vor kurzem vehementer Verfechter der Rotation: „Wir brauchen eine Partei von Bernbacher bis Tiefenbach.“

Auch letzterer will offenbar heraus aus den Schützengräben der Vergangenheit. Ein dogmatisches Festhalten an den Prinzipien der Rotation steht für ihn heute ebensowenig auf der Tagesordnung, wie die Preisgabe des Prinzips. Tiefenbach: „Nach der durch die Wähler verordneten Zwangstotalrotation wird die Frage nach der Rotation frühestens in acht Jahren wieder interessant.“ Für den Grünen Bürgerschaftsabgeordneten ist es wichtiger, daß sich die Grünen jetzt intensiver um die zerstörten Strukturen vor Ort kümmern. Seine Beispiele: Es gibt keinerlei organisierte Jugendarbeit. Der Landesvorstand kann seit Jahren nicht mehr vollständig besetzt werden. Gruppen, in denen inhaltlich gearbeitet werden soll, gibt es nur noch auf dem Papier.

Auch sein langjähriger Widerpart in der Fraktion, Martin Thomas, wollte die Neuorganisation der Grünen aus den Ländern heraus vorantreiben. Thomas: „Wir müssen landespolitisch das Vertrauen wiedergewinnen.“ Seine selbstkritische Einschätzung zum innerparteilichen Diskussionsstil: „Es war falsch, daß ich andere diskreditiert habe. Um das in Zukunft zu ändern, muß man bei sich selbst anfangen.“ Ähnlich sah es Grünen-Vorständlerin Cecilie von Eckler-von Gleich: „Die Kluft zwischen den Wählern und uns ist immer größer geworden. Dafür sind die Grünen nicht in die Parlamente gewählt worden, daß sie dort ihre eigene 68ger Biographie aufarbeiten.“

Salz in die frischen Wunden der Grünen, schüttete der Atomphysiker und Bürgerinitiativler Gerald Kirchner, der bekannte, dieses Mal nicht die Grünen gewählt zu haben. Sein Vorwurf: Die Grünen hätten es nicht zugegeben, daß sie eine stinknormale Partei geworden seien mit Arbeitsplatz- und Karriereinteressen sowie den Interessen des Apparates. Weitere Kernsätze der Kirchner-Philippika: Das Verhältnis der Grünen zu den Bürgerinitiaven sei taktisch geprägt, die innerparteiliche Streitkultur persönlichen Feindschaften geopfert worden. Kurz: „Es reichte.“

Eine Analyse, die Ralf Fücks ärgerte: „Wer hat denn am zweiten Dezember verloren? Waren das nur die Grünen?“, fragte er und gab sich selbst die Antwort: „Das ganze Gewicht der grünen Themen ist verloren gegangen. Da hängt doch viel mehr dran als nur die Grünen.“ Fücks warnte vor der Illusion, daß die Grünen alleine deshalb wiederkommen, weil ihre Themen aktuell bleiben.

Der Wirklichkeit hinterhergelaufen

„Wir sind der Wirklichkeit immer hinterhergelaufen und haben nicht kapiert, daß das Thema Ökologie nach dem Fall der Mauer mehr als ein Mittelstandsthema ist und deshalb neu formuliert werden muß.“ Sein Appell an die vielen, die seit langer Zeit zum ersten Mal wieder zu den Grünen gekommen waren: „Die Frage ist, ob wir es noch einmal schaffen. Dafür brauchen wir Euch.“

Schon im Januar kann sich dann zeigen, ob die Ansätze einer neuen Diskussionskultur über allgemeine Einschätzungen zur Lage hinausreichen. Dann wollen die Bremer Grünen beraten, wie sie sich auf der Bundesversammlung im Februar zu konkreten Fragen der Neuorganisation verhalten wollen. hbk

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