piwik no script img

Manövermunition zu Silvesterknallern

■ Rüstungskonversion bei „Comet“ in BHV: Feuerwerke für hüben und drüben

Welche rabiate Hobby-FeuerwerkerIn hätte das geahnt: Wer zu Silvester bündelweise „Satansraketen“ oder den „Tornado 2000“ der Bremerhavener Firma „Comet“ in den Himmel steigen läßt, tut gleichzeitig etwas für den Frieden. Denn die Firma „Comet“ will in Zukunft mehr „Feuerwerkskörper“ an die zivile Kundschaft absetzen, und dafür weniger „Signalmunition“ für Bundeswehr und Nato produzieren.

Geschäftsführer Dieter Ritzmann ist mehr als zuversichtlich, daß ihm das Umstellen der Fertigung auf Friedensproduktion, auch „Rüstungskonversion“ genannt, bestens gelingen wird. Zum Beweis legt er eine bescheidene Silvesterrakete des früheren DDR-Herstellers „Silverhütte“ auf den Tisch: Ein einfaches Holzstäbchen versehen mit einem unauffälligen Explosivkörper.

Auf dem Papierband ist ein rotes Sternchen aufgedruckt. Geschäftsführer Ritzmann erläutert, fast ein wenig mitleidig: „In der ganzen DDR gibt es nur eine Sorte von Knallern. Und bei diesem DDR-Bodenfeuerwerk leuchtet nur ein einziger Stern auf, das ist gar nicht zu vergleichen mit unserem Sternenbukett. Außerdem haben wir in unsere neuen Produkte Sonnen und Wirbel und Kreise reingebaut.“

Es boomt bei „Comet“. Die Firma zählt derzeit zu den vier größten Anbietern von Silvesterware in der Bundesrepublik. Geschäftsführer Ritzmann: „Wir sind zufrieden mit der Konsumfreudigkeit im Feuerwerksgeschäft. Die Nachfrage hat sich gesteigert. Und wir haben so einen Auftragseingang aus der DDR, daß wir gar nicht alle Aufträge ausliefern können. Wir müssen erweitern. Im Januar wollen wir mitbieten, wenn die drei Betriebe der 'Silberhütte' zum Verkauf stehen. Die kriegen dann Teile unseres Programms.“

„Comet“ gehört zur Firmengruppe „Diehl“, deren 15.000 MitarbeiterInnen außer Rüstungsgütern auch Junghans-Uhren und Schaltuhren für Mikrowellenherde fertigen. Die 300 „Comet“-Beschäftigten bauen außer den Feuerwerkskörpern, die die Hälfte des Umsatzes ausmachen, auch Seenotsignale (Nachtlichter, Rauchsignale) und Bundeswehr-Signal-Munition zusammen.

Die Produkte für's Militär beruhen auf der gleichen Knall- und Rauch-Technik wie die Erzeugnisse für die Silvesternächte. Sie werden für's Manöver gebraucht: dann, wenn nicht scharf geschossen wird, es aber trotzdem, so Geschäftsführer Ritzmann, „rauchen und brummen“ soll. Auf das Rohr der Panzerkanone wird ein Bechergerät montiert. In jeden Becher kommt eine Dose mit „Darstellungsmitteln“. Bei jedem Abschuß kommt es zu den gewünschten hör- und sehbaren Effekten — zwar nicht aus dem Rohr, aber immerhin aus dem Becher. Bei einem Treffer ist zur Abwechslung gar ein roter Feuerblitz zu beobachten.

Mit dem Teil-Abrüsten der Bundeswehr wird auch bei der „Signal-Munition“ abgerüstet. Geschäftsführer Ritzmann ist sich sicher: „Es wird weniger, aber sie werden's für die Manöver noch brauchen. Wir rechnen mit einer Halbierung des Umsatzes.“ Dafür, daß es dem Unternehmen „Comet“ darum aber nicht schlechter gehen wird, sorgt, wie Ritzmann mehrmals betont „der lebhafte Auftragseingang aus der DDR“.

Barbara Debus

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen