: Mehr Inhalt, bitte
■ Betr.: Aufruf einer Initiative unter dem Motto „Kein Krieg am Golf!“, taz v. 23.11.90
Der Aufruf ist im Grundgedanken zu unterstützen. Leider beginnt er im Text mit dem Satz, den man besser hätte streichen sollen: „Die Auswirkungen eines Krieges sind heute nicht mehr begrenzbar.“ Das läßt sich interpretieren (sicher nicht beabsichtigt, aber irgendwie hineingerutscht), daß ein begrenzbarer Krieg möglicherweise akzeptierbar wäre, uns also nicht so direkt beträfe.
Damit steht dieser Einleitungssatz der Unterzeile der Überschrift im Sinn entgegen. Bei aller Einsicht in die Problematik eines Konsens für einen aktuellen Aufruf: Es darf nicht beim moralisch gemeinten (und hier mißverständlichen) Appell stehenbleiben.
Die Interessen müssen benannt werden: Es geht um die Verfügungsgewalt von regionalen Resourcen, hier um das Erdöl. Die Tatsache, daß ein Menschen-und Völkerrechte verachtendes System ein Nachbarland annektiert und damit eine militärische und politische Vormachtstellung beantsprucht, ermöglicht den am Erdöl interessierten Interventionsmächten eine formale Argumentation, die eine Legitimierung ihres Einsatzes vorbereitet. Kein Zweifel: Eine neue Epoche hat nach der eingeleiteten Ost-West Entspannung begonnen. Der industrialisierte Norden mit zunehmenden Selbstbehauptungen des rohstoffreichen Südens auseinandersetzen müssen, zumal dem Süden die Entwicklung eigener Weiterentwwicklung systematisch vorenthalten worden ist. Daß diese Initiativen auch aus autoritären und diktatorischen Ländern kommen (nicht zuletzt bedingt durch unvollständige Wirtschaftsstrukturern innerhalb dieser Länder), kann nur für eine Weile die wirkliche Auseinandersetzung verdecken. Es gilt Stellung zu beziehen. Welches Recht hat der industrialisierte Norden,in diesem Fall vertreten durch die superreichen Ölkonzerne, die Reichtümer des Südens zu vereinnahmen? Mit relativ billigem Benzin und Heizöl profitiert jeder von uns hier im Norden von diesem Ausbeutungsverhältnis. Es geht also nicht nur um die Begrenzung und Verhinderung eines Krieges, es geht im wesentlichen um um unsere Position im Nord-Süd- Konflikt. Die dahintersteckenden Ursachen werden uns sowieso einholen.
Der oben angeführte Aufrufsatz greift damit viel zu kurz; der Aufruf insgesamt bedarf einer inhaltlichen Ergänzung.
Eberhard Piltz
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