Kirchengemeinde im Alleingang

■ St. Markus Gemeinde: Auskunftsstop gegenüber Ausländerbehörde

Das neue Ausländerrecht ist seit drei Tagen in Kraft. Mit einer „Dienstanweisung“ hat sich die evangelische St.-Markus-Gemeinde in Bremen auf dieses Ereignis vorbereitet: „Der Kirchenvorstand weist alle Mitarbeiter in Gemeinde und Kindertagesheim an, keine Auskünfte an die Ausländerpolizei zu geben, weder von selbst, noch auf Ersuchen.“ Damit widersetzt sich die St. Markus-Gemeinde im Alleingang dem § 76 des neuen Gesetzes. Dieser Paragraph schreibt u.a. vor, daß alle „öffentlichen Stellen unverzüglich die Ausländerbehörde über Ausweisungsgründe zu unterrichten haben“. Und „öffentliche Stellen“ im Sinne dieses Gesetzes sind nicht nur Behörden, sondern „alle Stellen, die öffentliche Aufgaben wahrnehmen“: Wohlfahrtsverbände, Privatschulen, Gerichtsvollzieher und eben auch Kirchengemeinden. Wenn zum Beispiel eine Erzieherin der Kirchengemeinde erfährt, daß die Familie eines ausländischen Kindergartenkindes von Sozialhilfe lebt, muß sie per Gesetz sofort Meldung machen. Denn das Beziehen von Sozialhilfe gilt als Ausweisungsgrund. „Auf Ersuchen“ müssen „öffentliche Stellen“ und damit auch gemeindliche Erzieherinnen weitere „ihnen bekannt gewordene Umstände“ ausländischer Menschen mitteilen — zu denken wäre an beengte Wohnverhältnisse, Drogenkonsum, Krankheiten... Das vage gehaltene Gesetz läßt alle Einzelheiten offen. Die Kirchengemeinde hält diesen Teil des Gesetzes für „verfassungswidrig“ und für „datenschutzrechtlich mehr als bedenklich, da nicht angegeben ist, welche öffentliche Stellen über welche Umstände aus welchen Gründen Daten weitergeben dürfen. Beratungsarbeit wird fast unmöglich“. Konsequenz der Vorstandsmitglieder, so Pastor Matthias Jander: „Wir verstehen uns nicht als öffentliche Stelle, die Auskunft an die Ausländerbehörde weitergibt. Wir teilen dies öffentlich mit, damit klar ist, daß die Ausländerbehörde sich an den Kirchenvorstand und nicht an die Mitarbeiter wenden muß.“ Eine Antwort der Ausländerbehörde hat der widerständige Kirchenvorstand von „St. Markus“ noch nicht erhalten.

Dr. Dvorak von der Bremer Zentralstelle für Zugewanderte darf sich freuen. Die Zentralstelle ist als einzige Behörde per Senatsbeschluß von der Auskunftspflicht befreit. Dvorak zur taz: „Ich habe ich den Eindruck, daß sich die Beratungstätigkeit bei den Wohlfahrtsverbänden sehr stark intensiviert, weil eine Skepsis bei den betroffenen Ausländern gegenüber den Behörden vorhanden ist.“ Der Gesetzestext zwingt insbesondere MitarbeiterInnen von Sozialämtern dazu, über sozialhilfe-beziehende AusländerInnen „unverzüglich“ Mitteilung zu machen. In den bremischen Sozialämtern, so der Behördenchef von „Mitte-West“, Hans Leppin, ist das neue Ausländerrecht bisher jedoch nicht Thema von Fachkonferenzen gewesen. Hans Leppin: „Wir sind noch nicht vorbereitet. Die bisherige Praxis hat sich deshalb noch nicht geändert.“ „Das ist auch gut“, erklärte ein anderer Behördenmitarbeiter der taz und bat, „mit einem Artikel doch keine schlafenden Hunde zu wecken.“

Der kommissarische Datenschutzbeauftragte Sven Holst formulierte gegenüber der taz die „verfassungsrechtlichen Bedenken“ seiner Behörde gegen das Gesetz: „Der Paragraph 76 ist eine Rundschlagklausel. Auf Verdacht sollen alle möglichen Mitteilungen an die Ausländerbehörde gemacht werden. Solange diese Bestimmungen nicht klarer sind, würde ich alle raten: Sehen Sie von einer Meldung an die Ausländerbehörde ab.“ B.D.