: Israel: Auch ohne Krieg harte Zeiten
■ Am „Fatah-Tag“ vier Palästinenser in den besetzten Gebieten erschossen/ Im Falle eines Krieges, auf den Israels Bevölkerung vorbereitet wird, könnte auch Jordanien zum Schlachtfeld werden
Tel Aviv (taz/dpa) — Auch wenn es nicht zu einem Krieg in der Golfregion kommen wird, geht jeder in Israel davon aus, daß 1991 ein schwieriges Jahr werden wird. Schon der erste Tag des Jahres brachte den BürgerInnen des Landes die nun drei Jahre alte palästinensische Intifada in Erinnerung. In den besetzten Gebieten kam es trotz umfangreicher Ausgangssperren zu Demonstrationen, bei denen in der West Bank vier junge Palästinenser erschossen wurden. Die Kundgebungen markierten den 25. Jahrestag der ersten bewaffneten Aktion der „Fatah“, der größten PLO-Unterorganisation.
Die Schulen in den besetzten Gebieten sind einstweilen bis Mitte des Monats geschlossen, über die meisten Städte und Flüchtlingslager wurde ein Ausgangsverbot verhängt. Kein Araber aus den besetzten Gebieten wurde nach Jerusalem hereingelassen, gleichzeitig standen die Moscheen auf dem Tempelberg unter schärfster Polizeikontrolle.
Am Mittwoch abend sollte der amtierende Präsident der UNO- Vollversammlung, der maltesische Außenminister Guido de Marco, in Jerusalem eintreffen. Er will auf Einladung der UNO-Hilfsorganisation UNWRA drei Tage lang Flüchtlingslager in der West Bank und im Gaza- Streifen inspizieren. Schon vor seiner Ankunft kritisierte die israelische Regierung den „überraschenden“ Zeitpunkt der Reise.
Die 'New York Times‘ zitierte am Neujahrstag israelische Militärspezialisten, die der Ansicht sind, daß der Irak im Kriegsfall mindestens zwanzig konventionell oder chemisch bestückte Raketen in Richtung Israel abfeuern werde. Gleichzeitig blickt die israelische Regierung mit Sorge auf die Entwicklung in Jordanien, wo radikalere islamische Elemente in die Regierung aufgenommen worden sind und wo der Einfluß Saddam Husseins in den vergangenen Monaten gewachsen ist. Im Falle eines Krieges am Golf könnte Jordanien leicht zu einem Schlachtfeld zwischen Israel und dem Irak werden. In Amman erwartet man, daß ein israelischer Angriff auf Irak durch Jordanien geführt werde. Einige Stimmen in Israel äußern die Hoffnung, daß Jordanien dabei in das „zukünftige Palästina“ verwandelt werden könnte, in das man die palästinensische Bevölkerung Großisraels transferieren möchte. Auf diesem Wege würde auch Platz für die bis zu 400.000 Neueinwanderer geschaffen, die im neuen Jahr nach Israel immigrieren werden. Zwei Wochen vor dem Ablauf des UNO-Ultimatums gegen Irak hat der Kommandeur der israelischen Zivilverteidigung die Bevölkerung des Landes aufgefordert, ihre Vorbereitungen für den Kriegsfall genau zu überprüfen. In den Wohnungen und provisorischen Bunkern sollen Wasservorräte, Notbeleuchtungen, Taschenlampen und Transistorradios getestet werden, Klebeband zur Abdichtung der Fenster, Verbandsstoff und Gasmasken seien bereitzuhalten. Wer im Herbst noch keine Gasmaske erhalten hatte, also vor allem seitdem entlassene Soldaten, Neugeborene und Neueinwanderer, soll sie nun bekommen. Ausgenommen bleiben nach wie vor eine Million Israelis in „entlegenen Gebieten“ — das sind vor allem Araber, Drusen und Beduinen. Den schon länger im jüdischen Staat lebenden BürgerInnen werden derweil neue finanzielle Opfer abverlangt: Die Mehrwertsteuer wurde auf 18 Prozent angehoben, die Brennstoffpreise um elf Prozent erhöht, und auf die Einkommenssteuer wird ein monatlich zahlbarer fünfprozentiger „Einwanderungszuschlag“ erhoben. Amos Wollin
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