: Wer entscheidet über den Einsatz der Armee?
■ Liegt die Kompetenz bei Exekutive oder Bundestag?/ Diverse juristische Auslegungen des Art. 115a GG
Berlin (taz) — Nach Auffassung von SPD-Abgeordneten ist für einen Einsatz bundesrepublikanischer Soldaten in der mobilen Eingreiftruppe der Nato, deren Stationierung in der Türkei gegenwärtig für den Fall einer irakischen Aggression gegenüber dem südlichsten Bündnispartner erwogen wird, von einer Zustimmung des Parlamentes mit einer Zweidrittelmehrheit abhängig. Wie weit die Kompetenzen des Parlaments, über einen Einsatz der Bundeswehr zu befinden, tatsächlich reichen, ist unter Juristen umstritten.
Der Artikel 115a des Grundgesetzes regelt die Umstellung der inneren Rechtsordnung für den Fall einer drohenden oder bereits eingetretenen äußeren Gefahr, die die Funktionsfähigkeit des Staates bedroht, den sogenannten „Verteidigungsfall“. Ob und mit welchen Mitteln jedoch die Abwehr einer äußeren Gefahr erfolgen soll, das heißt, ob es einen Einsatz der Bundeswehr zur Verteidigung (Art. 87a GG) gibt oder nicht, regelt der Artikel nicht. Die herrschende Meinung unter den Juristen ist daher, daß der Bundestag nur über den Verteidigungsfall entscheiden kann, aber nicht über die Form der Verteidigung, wie es zum Beispiel im sogenannten Bündnisfall der Nato eintreten würde. Dies bedeutet, daß die Feststellung des Verteidigungsfalles von der Entscheidung über einen militärischen Einsatz der Bundeswehr zur Verteidigung entkoppelt und letztere dem Parlament, dem Volkssouverän, entzogen ist. Zwar fehlt im Grundgesetz eine explizite Regelung, welches Organ nun über den Einsatz der Bundeswehr zur Verteidigung befindet. Doch die herrschende Meinung unter den Juristen sieht die Kompetenz darüber bei der Bundesregierung angelagert.
Eine Entscheidung der Bundesregierung, Bundeswehreinheiten in die Türkei zu entsenden, könnte dazu führen, daß die parlamentarische Feststellungsbefugnis nach Art. 115a GG durch einen Akt der Regierung faktisch präjudiziert werden würde: Dem Parlament bliebe nach Ausbruch von Kampfhandlungen, die durch Truppenmassierungen an der türkisch-irakischen Grenze „herbeigefördert“ werden könnten, nichts anderes mehr übrig, als den „Verteidigungsfall“ festzustellen. Raudolph Nikutta
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