: Eine Streife gegen Umweltsünder
■ Rathenower Umwelt-Konzepte: Statt Lamentieren über Müllflut pragmatische Sofortmaßnahmen
Rathenow (adn) — Im Straßengraben an der B 188 zwischen Stechow und Rathenow im brandenburgischen Land liegt ein ausgeräuberter Trabi. Kennzeichen und Fahrgestellnummer fehlen. Doch eine deutlich beschriftete Holztafel verkündet: „Der Kfz.-Halter von diesem Fahrzeug konnte ermittelt werden. Über die möglichen Konsequenzen wird sich der Fahrzeughalter in jedem Fall wundern. Der Landrat.“ — So, so, der Landrat.
Wenig später in dessen Zimmer. Dieter Dombrowskis Top-Themen sind Arbeitsbeschaffung und Umweltschutz. Der Trabi? — Ja, da spricht der Bußgeldkatalog eine saftige (DM-)Sprache. Ein PKW, wild abgeworfen, bis 2.000 Mark. Mancher Gebrauchtwagen war jüngst schon billiger zu kaufen.
Konsequenz tut not. Im Kreis Rathenow gibt es rund 80 Kippen und Deponien. Genauer: Gab es — seit dem 1. September 1990 sind bis auf die geordnete Deponie Bölkershof alle geschlossen. Aber Zäune sind niedrig, Tore nicht sicher, Nächte dunke... Dazu die vielen „wilden“ Ablagerungsstätten in den Wäldern. Um der Sache Herr zu werden und zu bleiben, muß das Gebiet ständig kontrolliert werden. Den Hut hat dabei Hans-Peter Brüll auf. Ein langer Name kennzeichnet seine Arbeit: Sachgebietsleiter Forsten und untere Jagdbehörde im Amt für Landschaftspflege, Forsten und Naturschutz. Gemeinsam mit dem Verantwortlichen für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) war er beim Leiter des Arbeitsamtes vorstellig geworden und hatte für seine Idee offene Ohren gefunden: Acht arbeitslose Rathenower konnten für ein Jahr als Umweltstreife mit Gehalt unter Vertrag genommen werden.
Umweltstreife als Arbeitsbeschaffung
Mit Auto und Fahrrad ist der Streifendienst im gesamten Kreisgebiet unterwegs, um neue wilde Müllplätze festzustellen und zu kartieren, besonders „beliebte“ Stellen immer wieder zu kontrollieren, letztlich dafür zu sorgen, daß jeglicher Abfall auf der geordneten Deponie Bölkershof landet. Nicht kostenlos, versteht sich. Für Transport und Entsorgung beispielsweise eines Kühlschranks ab Haustür bezahlt man 20DM. Einen solchen Artikel im Wald „abzulegen“, kann dagegen 200 bis 800 Mark kosten. Die Umweltstreife hat schon Fuß gefaßt — und so manchen Müllbanausen.
Ortswechsel nach Nennhausen. Eine Planierraupe schnauft einen kleinen Hang hinauf, schiebt Erde vor sich her, planiert die Fläche. Ab und zu halten Kipper mit Nachschub.
Das hier mit Erdreich Abgedeckte war kreuzgefährlich. Denn der flache Hügel war vor kurzem noch ein völlig verwilderter, riesiger Müllhaufen. Irgendwann wäre das Grundwasser verseucht worden. Bevor die Erde kommen konnte, war eine Menge vorbereitender Arbeit vonnöten. Sanierung der Müllkippe, das hieß zuallererst Entsorgung. Und dabei kam von etwa einem Hektar etliches zusammmen: 16 Schrott- Autos, 18 Blei-Akkus inklusive Säure, 19 Ozon-Killer in Form rostig-weißer Kühlschränke und und und. Lastkraftwagen der Sowjetarmee fuhren 56 Tonnen Schrott aus Nennhausen ab. Inzwischen fehlt nur noch eine Mutterbodendecke, dann kann angepflanzt werden. Problem abgehakt?
Ja, dieses eine. Mit 180.000 Mark Kosten.
Auf der Haben-Seite im Kampf gegen die Müllflut stehen im Kreis Rathenow der Streifendienst, 460 Recycling-Container, die in alle Orte des Kreises verteilt wurden — auch der kleinste mit 75 Einwohnern hat einen abbekommen. Dann die zentrale Deponie Bölkersdorf mit chemischer Entsorgung und einem derzeit guten Bodenstandard, wie Probebohrungen und Expertisen ausweisen.
Der Landrat sieht indessen weiter. In den Spaatzer Bergen, nördlich der Kreisstadt, soll für circa 15 Millionen Mark eine neue Deponie entstehen. Modernste Entsorgungstechnologie soll die Umwelt weniger belasten. Doch die Bürger in den betreffenden Gemeinden haben Angst, Protest ist hörbar. Darum soll nicht über ihre Köpfe hinweg entschieden werden. Dieter Dombrowski wird Einwohner von Hohennauen und Spaatz im Frühjahr zu einer Exkursion ins Nordrhein-Westfälische einladen. Dort, in der Patengemeinde Viersen dort gibt es eine solche Deponie bereits. Das Beispiel soll überzeugen und die Kommunen dazu inspirieren anzupacken, was sie selbst lösen können.
Rathenow ist nicht Schöneiche, und Hausmüll ist nicht Sondermüll. Umweltprobleme sind überall anders, jedoch immer konkret. In Rathenow hat man nicht die Hände gehoben vor der Müllflut, es gibt eigene Konzepte. Matthias Thiel
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