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Erneut drei Häuser von Polizei geräumt

■ Räumungen vor Tagesanbruch/Besetzer friedlich/1.500 Leute auf Demo

Friedrichshain. Kurz vor Tagesanbruch wurden gestern morgen im Bezirk Friedrichhain drei besetzte Häuser geräumt: Rigaerstraße 101, Proskauerstraße 4 und Kadinerstraße 15. Die Räumungen waren von der Wohnungsbaugesellschaft Friedrichshain (WBF) Ende November angekündigt worden. Sie verliefen ohne größere Zwischenfälle.

Die Häuser waren im November — kurz vor und nach der Räumung der Mainzerstraße — besetzt worden. Als mehrere hundert Polizisten die Häuser gestern gegen 7.15 Uhr zeitgleich räumten, hielten sich in den Gebäuden noch insgesamt 42 Besetzer und Besetzerinnen auf. Die übrigen hatten die Häuser am Abend oder in der Nacht zuvor verlassen. Während die Polizeibeamten sich mit Äxten, Sägen, Videokameras und Schutzschildern durch die Eingangsbarrikade zum ersten Stock vorarbeiteten, standen die Besetzer auf dem Balkon und begleiteten die Aktion zusammen mit Freunden und Unterstützern unten auf der Straße lauthals mit den Worten »Spekulanten, Leerstand und Bullenschweine«. Plötzlich kam Bewegung auf, als undefinierbare Gegenstände auf die Dächer der Mannschaftswagen prasselten, die sich jedoch als mit Wasser gefüllte Luftballons entpuppten. Nach Angaben der Polizei wurden sämtliche Besetzer nach der Räumung zur Personalienfestellung abgeführt und am Mittag wieder auf freien Fuß gesetzt. Sie haben mit Ermittlungsverfahren wegen Hausfriedenbruchs zu rechnen.

Der Justitiar der Wohnungsbaugesellschaft Friedrichshain, Dietmar Batschulat, begründete das Räumungsbegehren damit, daß die Häuser umgehend saniert werden sollen. Mit den Arbeiten am Vorderhaus Rigaerstraße 101 — Hinterhaus und Seitenflügel sind bereits fertigstellt —, sollte noch gestern begonnen werden. Der Friedrichhainer Bezirksbürgermeister Helios Menidiburu (SPD) erklärte auf Anfrage, daß er vom Innenstadtrat Krüger »diesmal vorab« über die geplante Räumung informiert worden sei. Mendiburu rechtfertigte die Räumung mit der Berliner Linie. Nur in der Kadinerstraße 15, wo »ein schäbiger Seitenflügel« besetzt gewesen sei, habe die Möglichkeit für Verhandlungen bestanden. Diese seien aber weder von der Wohnungsbaugesellschaft noch von den Besetzern in Angriff genommen worden. Mendiburu will jetzt streng darauf achten, ob mit den Sanierungsarbeiten wirklich begonnen wird. Besetzer, die durch die Räumung obdachlos geworden seien, sollten sich wegen Ersatzwohnraum beim Bezirksamt melden. »Ersatzhäuser« werde es jedoch nicht geben, weil dies angesichts der allgemeinen Wohungsnot und großen Warteschlangen eine »vermessene Forderung« sei. Mendiburu zufolge stehen in seinem Bezirk rund 40 Häuser leer, für die noch Bauvorhaben geplant sein sollen.

Knapp 1.500 Leute versammelten sich abends gegen 17 Uhr am Frankfurter Tor. Ein Sprecher vermutete, daß mit den geräumten Häusern spekuliert werden solle, und bemängelte, daß es »trotz Leerstand, kaum möglich ist, eine Wohnung zu erschwinglichen Preisen zu bekommen«. Die Polizei hatte den Versammlungsplatz abgesperrt und bei Kontrollen sieben Leute »zugeführt«, weil sie Stangen oder Schlagstöcke bei sich gehabt haben sollen. Pressefotografen und Polizisten wurden auf der Demo mit Knallkörpern beworfen. Die 500 eingesetzten Beamten liefen neben den Demonstranten Spalier. Nach der Abschlußkundgebung kam es zu Prügeleien zwischen Demostranten und der Polizei. plu/diak

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