: Allein gegen das Ausländergesetz
■ Bremer evangelische Kirchengemeinde wies MitarbeiterInnen an, der Ausländerpolizei keine Auskünfte zu geben/ Datenweitergabe „verfassungswidrig“/„Beratungsarbeit wird unmöglich“
Bremen (taz) — Das neue Ausländerrecht ist seit vier Tagen in Kraft. Und mit einer „Dienstanweisung“ hat sich die evangelische St.-Markus-Gemeinde in Bremen auf dieses Ereignis vorbereitet. Die „Anweisung“ lautet: „Der Kirchenvorstand weist alle Mitarbeiter in Gemeinde und Kindertagesheim an, keine Auskünfte an die Ausländerpolizei zu geben, weder von selbst noch auf Ersuchen.“ Damit widersetzt sich die St.- Markus-Gemeinde im Alleingang dem § 76 des neuen Gesetzes.
Er schreibt unter anderem vor, daß alle „öffentlichen Stellen unverzüglich die Ausländerbehörde über Ausweisungsgründe zu unterrichten haben“. Und „öffentliche Stellen“ im Sinne dieses Gesetzes sind nicht nur Behörden, sondern „alle Stellen, die öffentliche Aufgaben wahrnehmen“: Wohlfahrtsverbände, Privatschulen, Gerichtsvollzieher und eben auch Kirchengemeinden.
Wenn zum Beispiel eine Erzieherin der Kirchengemeinde erfährt, daß die Familie eines ausländischen Kindergartenkindes von Sozialhilfe lebt, muß sie per Gesetz sofort Meldung machen. Denn das Beziehen von Sozialhilfe gilt als Ausweisungsgrund. „Auf Ersuchen“ müssen „öffentliche Stellen“ und damit auch gemeindliche ErzieherInnen weitere „ihnen bekannt gewordene Umstände“ ausländischer Menschen mitteilen — zu denken wäre an beengte Wohnverhältnisse, Drogenkonsum, Krankheiten etc. Das vage gehaltene Gesetz läßt alle Einzelheiten offen. Die Bremer Kirchengemeinde hält aber diesen Teil des Gesetzes für „verfassungswidrig“ und für „datenschutzrechtlich mehr als bedenklich, da nicht angegeben ist, welche öffentliche Stellen über welche Umstände aus welchen Gründen Daten weitergeben dürfen. Beratungsarbeit wird fast unmöglich.“ Konsequenz der Vorstandsmitglieder, so Pastor Matthias Jander: „Wir verstehen uns nicht als öffentliche Stelle, die Auskünfte an die Ausländerbehörde weitergibt. Wir teilen dies öffentlich mit, damit klar ist, daß die Ausländerbehörde sich an den Kirchenvorstand und nicht an die Mitarbeiter wenden muß.“ Eine Antwort der Ausländerbehörde hat der widerständige Kirchenvorstand von St. Markus noch nicht erhalten.
Der kommissarische Bremer Datenschutzbeauftragte Sven Holst formulierte gegenüber der taz die „verfassungsrechtlichen Bedenken“ auch seiner Behörde gegen das Gesetz: „Der Paragraph 76 ist eine Rundschlagklausel. Auf Verdacht sollen alle möglichen Mitteilungen an die Ausländerbehörde gemacht werden. Solange diese Bestimmungen nicht klarer sind, würde ich allen raten: Sehen Sie von einer Meldung an die Ausländerbehörde ab.“ Barbara Debus
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen