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Starke Posen, starres Pathos

■ Wagners „Fliegender Holländer“ in Bremerhaven / Lieber hören als sehen

Sollte irgendwo ein Preis für die ödeste Opern-Inszenierung des Jahres ausgeschrieben werden, „Der Fliegende Holländer“ in Bremerhaven — Premiere letzten Sonntag — hätte gute Chancen, zu den Preisträgern zu gehören. Viel wabernder Nebel, wann immer der heimatlose Seefahrer auftrat, starre Posen und hölzerne Pathos, phantasieloser hätte Richard Wagners romantische Oper nicht in Szene gesetzt werden können. „Der Fliegende Holländer“ — Regie: Gerhard Platiel — segelte knapp an einer unfreiwilligen Wagner-Parodie vorbei, davor retteten ihn nur das Städtische Orchester unter der Leitung Leo Plettners und die Solisten, vor allem der Gast-Sänger der Titelrolle, der Osnabrücker Werner Schürmann.

Schürmann überzeugte mit seinem etwas rauhen Timbre nicht nur stimmlich. Ihm gelang es gelegentlich, seiner Figur jene Gebrochenheit zu geben, die den umherirrenden Seefahrer zum Sinnbild des restlosen Mannes hätte machen können. In langem, schwarzen Ledermantel, hochhackigen Stiefeln und breitkrempigem Filzhut erinnerte er an Henry Fondas Totenmann aus Sergio Leones „Spiel mir das Lied vom Tod“.

Kaum zu glauben, daß der verzweifelte schwarze Herr, der bei einem liebenden Weib Erlösung sucht, eine solche Senta begehren würde. Gekleidet als treu-deutsche Magd mit blondem Haar, langem Zopf und rustikalem Leinengewand, sah sie aus, als käme sie gerade aus der Jungmädelschar. Von dem „Magnetischen", das Ernst Bloch in dieser Rolle entdeckte, hatte diese biedere Wagner-Heroine, der Ulla Gustafsson mit einer in den Höhen etwas starren, aber klaren Stimme einen angenehmen Ton gab, nichts an sich.

Wollte der Regisseur den Karl- May-Fan Bloch beim Wort nehmmen, und Wagners „Gärung, Donner, Phosphor, Glut und Drang“ als Mischung aus Kolportage und vulkanischer Triebhaftigkeit geben? Dafür war er entschieden zu unentschieden. Das Ergebnis sah weniger nach einem kritisch-schrillen Wagner-Bild aus, als nach der unfreiwilligen Komik einer bis zu Sentas Zopf konventionellen und faden Inszenierung.

Wagner-Freunde werden bei geschlossenen Augen musikalisch auf ihre Kosten gekommen sein. hans happel

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