: Arbeitsamt muß Umzugsgeld blechen
Grundsatzurteil zum Umzugsgeld bei der Aufnahme einer Arbeit: Arbeitsamt muß Einzelfall prüfen und Gründe detailliert darlegen/ Bundessozialgericht gibt Kieler Pädagogen Recht ■ Von Heino Schomaker
Kassel (taz) — Demnächst könnte es in der Bundesrepublik Deutschland eine Menge neuer Arbeitsplätze geben — bei den Arbeitsämtern. In einer Grundsatzentscheidung hat das Bundessozialgericht nämlich den Arbeitsämtern auferlegt, Anträge auf Umzugskostenhilfe im Einzelfall zu überprüfen, in jedem Einzelfall „ausreichende Ermittlungen“ anzustellen, jeden der vom Antragsteller aufgeführten Gründe gesondert zu würdigen und in seiner Begründung für „die gebotene Darlegung der Maßstäbe“ der Entscheidung zu sorgen.
Die Arbeitsämter hatten bisher die Entscheidung, ob einem Arbeitssuchenden nach Paragraph 53 des Arbeitsförderungsgesetzes bei der Aufnahme einer neuen Beschäftigung ein Umzugsgeld zusteht, nach weit gefaßtem Ermessen entschieden.
Sieg für Kieler Pädagogen
Ein Pädagoge aus der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt Kiel hatte die vier Instanzen bis zum höchstrichterlichen Urteil bemüht. Ihm war 1986 eine Umzugshilfe von 4.600 Mark zugesagt worden, als ihm nach sechswöchiger Arbeitslosigkeit eine auf drei Jahre befristete Stelle in Koblenz vermittelt wurde und er dafür umziehen mußte. Die Zusage hatte er damals allerdings mündlich erhalten, nach dem Umzug wollte das Arbeitsamt dem Pädagogen nur ein Darlehen gewähren.
Der Pädagoge legte Widerspruch ein, zur Begründung führte er unter anderem an, neben seiner Rückstufung im öffentlichen Dienst und der Schuldentilgung aus seiner Studienzeit habe er ein 13. Monatsgehalt verloren, zudem müsse er für seine Lebensgefährtin aufkommen, die durch seinen Umzug ihr Einkommen verloren hatte.
Das Arbeitsamt maß der Begründung keine weitere Bedeutung bei und lehnte den Widerspruch ab. Das Koblenzer Sozialgericht und das Landessozialgericht in Mainz gaben hingegen dem Kläger Recht.
Dem schlossen sich die Richter des Kasseler Bundessozialgerichts an. Sie verlangten eine genaue Prüfung des Einzelfalles und auch eine Begründung dafür, warum die Umzugshilfe als Zuschuß gewährt wird oder nur als Darlehen.
Solange die Bundesanstalt für Arbeit, so die Kasseler Richter, keine allgemein gültigen und überprüfbaren Grundsätze für derartige Umzugshilfe-Entscheidungen festgelegt hat, müsse jedes Arbeitsamt in jedem Einzelfall ins Grundsätzliche gehen.
Im Falle des Kieler Pädagogen bestätigte das Bundessozialgericht die Entscheidung des Landessozialgerichtes: Ihm steht der Zuschuß für seinen Umzug zu.
(Az.: BSG 11 RAr 123/88)
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