: Minister-Anwalt in Affäre verstrickt
Skandal in der hessischen Staatskanzlei: Mildes Anwalt bot dem 'Stern‘ Geld an ■ Von Klaus-Peter Klingelschmitt
Wiesbaden (taz) — Der Journalist Thomas Kettner zündete gestern vor dem Untersuchungsausschuß Affäre Staatskanzlei eine neue politische Bombe: Nur eine Woche bevor der Anwalt des Unterweltkönigs Hersch Beker dem 'Stern‘ zum Preis von exakt 150.000 DM Informationen über die Beziehungen seines Mandanten zu Magistralen in Frankfurt und vor allem zum amtierenden Ministerpräsidenten Walter Wallmann verkaufen wollte, hatte 'Stern‘-Redakteur Kettner eine andere Informationsofferte erhalten. Ein Rechtsanwalt Dr.Wolfgang Hamm aus dem hessischen Gelnhausen bot Kettner gleichfalls Informationen an und verlangte dafür „eine nicht unerhebliche Summe“ (Kettner). Die politische Delikatesse: Hamm ist der Rechtsanwalt des inzwischen zurückgetretenen Innenministers Milde (CDU), der mit der Verlesung eines Abhörprotokolls des Telefongesprächs zwischen Kettner und dem Beker- Anwalt Goetz vor dem Landtag die Affäre ins Rollen gebracht hatte.
Welche Art von Informationen ihm der Rechtsanwalt Mildes seinerzeit angeboten habe, mochte Kettner gestern nicht sagen. Er jedenfalls sei nicht auf die Offerte von Hamm eingegangen — und überhaupt sei in der ganzen Angelegenheit von seiten des 'Stern‘ niemals Geld gezahlt worden. Kettner legte dem Untersuchungsausschuß eine ausführliche schriftliche Erklärung vor, die von seinem Rechtsanwalt Hans Wolfgang Euler verlesen wurde und mit der Kettner klarstellte, daß es der Beker-Anwalt Goetz war, der vom 'Stern‘ 150.000 DM für einschlägige Informationen haben wollte.
In seiner Erklärung zitierte der Journalist ausführlich ganze Passagen aus dem Abhörprotokoll, die nur den Schluß zulassen, daß Goetz Kettner angerufen und ihm ein Interview mit Beker angeboten hat — bei einer Honorarvorstellung von 150.000DM. Innenminister Milde hatte dagegen vor dem Landtag ausgeführt, daß der 'Stern‘ für Informationen, mit denen Ministerpräsident Wallmann hätte diskreditiert werden können, die genannte Summe angeboten hätte. Aus der Erklärung Kettners geht auch hervor, daß Beker- Anwalt Goetz Vermutungen von Kettner über Beziehungen zwischen etwa dem Frankfurter Magistrat und den Bekers im Gesprächsverlauf indirekt bestätigte. So hatte Kettner den Rechtsanwalt im Gesprächsverlauf damit konfrontiert, daß der 'Stern‘ bereit sei, die 150.000 DM zu bezahlen, wenn Beker erklären würde, daß er „erst mal den halben SPD-Magistrat und dann den ganzen CDU-Magistrat gekauft“ habe. Daraufhin lachte Goetz und sagte: „Das könnt‘ ich mir vorstellen.“ Fragen nach seinen Informationsquellen blockte Kettner gestern mit dem Hinweis auf den Informantenschutz ab.
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