: Schnellbootfahrer und Kriegsschiffbauer
■ Trauerfeier in der Lemwerder Schiffbauhalle: Gert Lürßen, Chef der Lürssenwerft gestorben / taz unerwünscht
Wenn sich der Wert eines Menschen nach der Größe seiner Todesanzeige bemißt, muß Gert Lürßen ein bedeutender Mann gewesen sein. Am 2. Januar starb der Seniorchef der Friedrich Lürssen Werft im Alter vom 77 Jahren. Die Beisetzung fand im engsten Familienkreis statt. Zur offiziellen Trauerfeier wurden die Firmenfamilie sowie Geschäftspartner aus dem In- und Ausland gestern in die große Schiffbauhalle der Werft in Lemwerder geladen. Teilnehmen durften auch ein ausgewählter Pressevertreter — die taz nicht.
Der 1914 geborene Lürßen repräsentierte die dritte Generation des 1875 von seinem Großvater Friedrich Lürßen gegründeten Familienbetriebes. Was als kleine Sportbootwerft gegann, entwickelte sich in 116 Jahren zu einem der modernsten Schiffbaubetriebe, sicher einer von ganz wenigen dieser Größenordnung, die sich noch in Familienbesitz befinden.
Die Pressemitteilung der Firma zum Tode des Seniorchefs zeichnet das Bild eines hanseatischen Unternehmers von altem Schrot und Korn: Lürßen erlernte und studierte den Boots- und Schiffsbau „von der Pieke auf“ bevor er 1938 in das Unternehmen eintrat, dessen Leitung er 1943 übernahm. Unter seiner Ägide entwickelte sich die Belegschaftsstärke von 180 auf 1.000 MitarbeiterInnen. Aber „trotz aller beruflichen Erfolge ist Gert Lürßen im persönlichen Bereich immer zurückhaltend und bescheiden geblieben.“ Er fühlte sich der Marine verbunden und verbrachte seine Freizeit in früheren Jahren gern auf dem Wasser, auf schnellen Motorbooten oder beim Segeln. 1936 nahm er mit seiner O-Jolle an der Ausscheidung zur Olympiade teil.
Ins Bild paßt ebenfalls, daß „die Fürsorge für alle Mitarbeiter der Werft für Gert Lürßen stets oberstes Gebot“ war. „Sein besonderes Interesse gehörte den Auszubildenden und den Rentnern.“ Mehr als diese offizellen Angaben über Lürßen zu erfahren, ist schwer möglich. Dem Zeitungsarchiv ist noch zu entnehmen, daß er 1955 vom schwedischen König für die Lieferung von sechs Torpedobooten den Wasa-Orden verliehen bekam. 1983 erhielt er anläßlich seines 40jährigen Jubiläums als Geschäftsführer der Werft das Bundesverdienstkreuz
Schon seit Beginn des ersten Weltkrieges ist die Rüstungsproduktion tragende Säule der Traditionswerft, heute mit einem Anteil von 75 bis 90 Prozent (s.a. taz-Rüstungsserie, Teil VI, 27.9.90). Die Wehrmacht orderte zwischen 1933 und 1945 mehr als 300 Minensuch- und Torpedoboote von den Lemwerder Schiffsbauern. Heute schwimmen Lürssen-Schiffe auf allen sieben Weltmeeren. Zu den besten Kunden zählten in der Vergangenheit die ölexportierenden Länder, insbesondere am persisch-arabischen Golf. Aber auch in Südostasien ist Lürßen stark vertreten.
Senatsvertreter nahmen an der Trauerfeier gestern nicht teil. Neben Belegschaft und Vertretern von Industrie und Marine war aus dem politischen Bereich lediglich der CDU- Landesvorsitzende Bernd Neumann anwesend. Bürgermeister Klaus Wedemeier hatte der Witwe Marie-Luise Lürßen ein Kondolenzschreiben übersandt. asp
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