: Senat will Energieverschwendung?
■ »Ausnahmeregelung« stellt Sinn des Energiespargesetzes auf den Kopf: Nachtspeicherheizungen sind faktisch wieder erlaubt/ AL kündigt gegen »Gesetzesaushebelung« rechtliche Schritte an
Berlin. Nachtspeicherheizungen dürfen faktisch wieder neu angeschlossen werden, sofern die notwendigen Leitungen vorhanden sind — dies entschied gestern der Senat. Merkwürdigerweise, denn der Neuanschluß der stromverschwendenden grauen Kilowatt-Heizkörper war erst im Oktober durch das Energiespargesetz von der Regierung untersagt worden. Sinn dieses Gesetzes war, daß beim Energieverbrauch auch dann der umweltfreundlicheren Variante der Zuschlag gegeben wird, wenn sie (in vertretbarem Rahmen) teurer ist. Der Neuanschluß von Nachtspeicherheizungen war damals deshalb ausdrücklich verboten worden. Gestern hat der Senat die Absicht des Energiespargesetzes auf den Kopf gestellt. Jetzt ist der Neuanschluß von Nachtspeichern auch dann erlaubt, wenn die Gesamtkosten billiger sind als bei anderen umweltfreundlicheren Heizungen.
Dem Senat scheint sein eigener Beschluß unangenehm zu sein: Der entscheidende Satz: »Der Neuanschluß unterliegt nicht dem Verbot..., wenn sich für Nachtstromspeicher-Heizungen geringere Gesamtkosten ergben« fehlt in der Meldung des Landespressedienstes glatt. Die Al wirft dem Senat vor, daß er »die Öffentlichkeit täuscht«. Der umweltpolitische Sprecher der AL, Berger, wertet den Senatsbeschluß nicht als Ausnahmeregelung, sondern als Gesetzesänderung, da er den Inhalt des Gesetzes grundlegend verändert habe. Doch über Gesetzesänderungen habe das Parlament zu entscheiden, nicht der Senat. Die Al werde gegen die Exekutive rechtlich vorgehen, kündigte Berger an.
Auch in dem mehrheitlich senatseigenen Energieversorgungsunternehmen Bewag herrschte gestern Verwirrung ob der Regierungsentscheidung. »Der Beschluß widerspricht doch dem Gesetz«, sagte Wilfried Müller, »wir wollen, daß umweltfreundlichere Heizungen installiert werden, auch wenn sie unwirtschaftlicher sind«. Seiner Meinung nach seien bei dem derzeitigen Ölpreis zwischen 60 bis 70 Mark für 100 Liter Heizöl die Nachtspeicher insgesamt zwar noch teurer als andere Heizungen, aber da der Ölpreis weiter steige, würde das die Nachtspeicher im Verhältnis verbilligen.
Berger befürchtet, daß mit steigenden Ölpreisen — zum Beispiel durch die Golfkrise — ein Sturm auf den Elektroheizer-Markt losbreche. Ärgerlicherweise, denn im vergangenen Geschäftsjahr der Bewag (Juli '89 bis Juni '90) habe es seit Erfindung der Nachtstromspeicher-Heizung erstmals wieder weniger dieser häßlichen Klötze gegeben, berichtete Wilfried Müller. 37.000 Haushalte haben (noch) Nachtstromspeicher-Geräte — drei Prozent aller Haushalte im Westteil Berlins (ca. 1,2 Millionen). Die Hälfte heizt mit Öl, knapp über ein Achtel mit Fernwärme, ein Achtel mit Gas und 12 Prozent mit Kohle.
Der Senatsbeschluß schränkt den Neuanschluß von Nachtstromspeicher-Heizungen noch mit einem weiteren Punkt ein. Neue Kilowattöfen werden nur erlaubt, wenn »das zur Verfügung stehende Kontingent einen Anschluß zuläßt«. Doch die Zahl für Neuanschlüsse handelt die Bewag mit dem Verkehrssenator für Wirtschaft aus, »... ohne Kontrolle der Öffentlichkeit«, bemängelt Hartwig Berger. Dirk Wildt
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