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Eifersucht auf „die Neger“

■ Chilene wegen versuchter Vergewaltigung vor Gericht / Überfall in der Silvesternacht

Mit seiner blendenden spanischen Erzählkunst versuchte gestern ein Chilene das Schöffengericht zu beeindrucken. Der seit 17 Jahren in Deutschland lebende Stauer ist wegen versuchter Vergewaltigung der Tochter seiner früheren Lebensgefährtin angeklagt. Vor Gericht brauchte er einen Dolmetscher.

Mit 2,5 Promille Alkohol im Blut war der 54jährige nach einer Sylvesterfeier zusammen mit einem Freund in die Wohnung seiner Lebensgefährtin eingedrungen, indem er eine kleine Scheibe an der Haustür einschlug. Den Schlüssel hatte er in seiner neuen Wohnung vergessen: Wegen ständiger Auseinandersetzungen hatte sich das Paar getrennt. Man traf sich aber noch häufig. Als er die Lebensgefährtin nicht finden konnte, begann er, das Mobiliar zu zertrümmern. „Ich hatte fast alles bezahlt, und nun war ich eifersüchtig, weil sie mit den Negern weggegangen war.“

Die „Neger“ spielen überhaupt eine große Rolle in der Aussage des Angeklagten: In der oberen Wohnung wohnte die Tochter der Lebensgefährtin. „Da waren immer Türken, die Marihuana rauchten und tranken, und dann kamen die Neger. Erst einer, und schließlich waren es sechs.“ Seine Befürchtung: Daß nicht nur die Freundin der Tochter, dann die Tochter selbst, sondern schließlich auch seine Freundin einen „Neger haben“ würde. Er sei ein Mensch zweiter Klasse, habe er einmal gesagt, so erinnert sich die betroffene Zeugin, die „Neger“ aber seien „Menschen dritter Klasse“.

In der Sylvesternacht befanden sich außer der Tochter noch deren Freundin und die beiden farbigen Freunde in der oberen Wohnung. Der Angeklagte ging hoch und rüttelte dort an der Schlafzimmertür der Tochter. Die versuchte zunächst verängstigt, sie zuzuhalten, kam dann aber doch heraus. Nach Aussage der heute 25jährigen Zeugin beschimpfte er sie: „Wenn du mit einem Neger ficken kannst, kannst du auch mit mir ficken“ und zerrte sie gewaltsam die Treppe herunter.

Die junge Frau wehrte sich und schrie so um Hilfe, daß ihr ein Arzt am folgenden Tag „schwere Heiserkeit“ bescheinigte. Im Flur zerriß er ihren Slip und warf sich auf sie.

Ein Nachbar, der ganz oben im Haus wohnte, kam zu Hilfe. Von seiner Wohnung aus rief die Zeugin die Polizei. An Verletzungen stellte der Arzt eine Schwellung des Jochbeins, eine 15 Zentimeter lange Kratzwunde am Gesäß und Schmerzen im Schultergelenk fest. Die Zeugin stand mehrere Tage unter Schock.

Er habe seiner Lebensgefährtin demonstrieren wollen, daß seine Voraussage eingetreten sei, rechtfertigt sich der Angeklagte. Er hätte die beiden jungen Frauen — die Tochter und ihre Freundin — und deren „Neger“ seiner Lebensgefährtin in ihrer eigenen Wohnung vorführen wollen. Nie habe er die Absicht gehabt, ihre Tochter zu schlagen oder gar zu vergewaltigen.

Wie er während seiner Aussage so theatralisch gestikuliert — die Schultern bis zu den Ohren und die Augenbrauen bis zum Haaransatz zieht, die leeren Hände zeigt und aufspringt, um die Treppenszene zu spielen, von Liebe und Eifersucht spricht und von seinen übermenschlichen Kräften durch die lange körperliche Arbeit, die er manchmal nicht zu handhaben wüßte — da erweckt er den Eindruck, als wolle er noch kokettieren mit seinem südländischen Temperament. Er plaudert und lacht, und muß mehrmals zu Kürze und Genauigkeit ermahnt werden.

„Unter Alkohol neigte er immer zu Gewalttätigkeiten“, so die frühere Lebensgefährtin des Angeklagten. Die betroffene Zeugin: „Wir hatten kein besonders enges, aber auch kein schlechtes Verhältnis zueinander. Nur einmal hat er versucht, mich zu küssen als ich 15 war. Da war ich total geschockt.“ Am kommenden Freitag wird das Urteil gesprochen. Beate Ramm

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