Laufer bleibt in Untersuchungshaft

■ Bundesanwaltschaft verhinderte Freilassung auf Kaution/ Nachrichtendienstliche Aktivitäten bisher nicht spezifiziert/ Vorwurf: »Politische Stimmungsbilder«

Berlin. Der unter dem Verdacht der Spionage für den sowjetischen Geheimdienst KGB stehende Stephen Laufer (36) bleibt vorerst weiter in Haft. Der Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof (BGH) setzte gestern auf Beschwerde von Generalbundesanwalt Alexander von Stahl eine Haftverschonung für den Mitarbeiter des Büros der amerikanischen Botschaft vorläufig aus. Die endgültige Entscheidung, ob der Journalist gegen eine Kaution von 40.000 DM und mit Auflagen aus der Untersuchungshaft entlassen wird, trifft jetzt der 3.BGH-Strafsenat.

Laufer war am Dienstag festgenommen worden. Ihm wird vorgeworfen, von 1977 bis Anfang 1990 als Agent des KGB tätig gewesen zu sein. Er habe »politische Stimmungsbilder« angefertigt und jährlich durchschnittlich fünf bis sechs Treffs mit seinen Auftraggebern wahrgenommen, sagte der Sprecher der Bundesanwaltschaft. Von der Botschaftsaußenstelle der USA gab es keine Stellungnahme. Laufer wurde in Südafrika geboren, besitzt aber die deutsche Staatsangehörigkeit. Er studierte in Großbritannien und Berlin Politische Wissenschaften und Geschichte. Später arbeitete er als Journalist für die 'BZ‘. Von Juni 1984 bis Dezember 1987 war er im Stab Diepgens tätig, ehe er im Januar 1988 als Pressereferent zur US-Mission wechselte.

Der von ihm möglicherweise angerichtete Schaden ist schwer nach den üblichen Verratskategorien zu bemessen. Laufer hätte zunächst für den KGB die politisch Verantwortlichen im christlich-liberalen Senat und in der Opposition einschätzen können. Später dürfte er wegen der engen Abstimmung, die die drei Alliierten bei der Ausarbeitung gemeinsamer Positionen zu politischen Vorhaben des Senats halten mußten, gute Einblicke in Interessenkonflikte gehabt haben. Vom nachrichtendienstlichen Standpunkt dürfte der Wechsel Laufers zur US-Mission einen Aufstieg bedeutet haben. Hier war das neben dem Senat wichtigste Entscheidungszentrum West-Berlins. Daß Laufers Ehe mit der Tochter des US-Stadtkommandanten James Boatner, der von Juli 1981 bis Juni 1984 amtierte, ihm den Umgang mit den sowieso kontaktfreudigen Amerikanern noch erleichterte, ist leicht vorstellbar.

Zu den interessanten Phasen dieser Jahre gehörten die Turbulenzen um die 750-Jahr-Feier Berlins im Jahr 1987, als die Alliierten mißtrauisch den Versuch des Senats verfolgten, Erich Honecker zu den Festlichkeiten nach West-Berlin einzuladen. Die Ernsthaftigkeit der Reagan-Initiative zur Verbesserung der unmittelbaren menschlichen Kontakte zwischen beiden Stadtteilen und zum Aufbau eines Luftkreuzes Berlin konnten die Sowjets ebenfalls, wie manche anderen Beobachter auch, anfangs nicht eindeutig einschätzen.

Daß Stimmungsberichte aus den kritischen Monaten während des Zusammenbruchs der DDR durch die Westberliner US-Diplomaten, die wiederum im regen Austausch mit ihren Kollegen in der Ostberliner Botschaft und mit osteuropäischen Diplomaten standen, für das KGB reizvoll sein konnten, ist offenkundig. Schließlich prägten die US-Diplomaten die Meinungsbildung im Washingtoner Außenministerium zur heraufziehenden deutschen Einheit maßgeblich mit.

Das Ende des Viermächtestatus und den damit einhergehenden Personalabbau bei den Alliierten hatte Laufer glücklich überstanden. Als Mitarbeiter von USIS wurde er aus Washington und nicht aus dem deutschen Besatzungslastenetat bezahlt. dpa