Kein Argument für Krieg-betr.: "Deutschland, Irak und das Giftgas", taz vom 5.1.91

betr.: „Deutschland, Irak und das Giftgas“, von Benny Peiser,

taz vom 5.1.91

Es geht also nicht ums Öl, sondern um den „Kampf gegen den arabischen Faschismus“ [...]. Außerdem geht es darum, Israel zu schützen. Lieber Benny Peiser, das ist so ziemlich das Dümmste, was ich in der letzten Zeit zu hören bekommen habe.

Seit acht Jahren ging es nämlich gegen den islamischen Fundamentalismus, und zwar mit Saddam Hussein, dem „Faschisten“. Da war es auch ganz sinnvoll, Giftgas und Atomtechnologie zu liefern und Öl zu kaufen. Das Liefern von Waffen ist kein Betriebsunfall, sondern Bestandteil der Politik unserer Regierung.

Sicher ist Saddam Hussein ein skrupelloser Diktator, aber wer wird in einem Krieg getötet? Die Schuldigen in Bagdad, Bonn, Washington und sonstwo — oder Unschuldige? Und wie stellst Du Dir bei einem Krieg den Schutz der israelischen und palästinensischen Bevölkerung gegen Giftgasraketen vor?

Ein Handelsboykott (und eben gerade keine militärische Blockade) ist das einzig sinnvolle und ausreichende Mittel, den Irak zum Rückzug zu zwingen, und selbst hier werden durch die ungerechte Verteilung (ich kann mir nicht vorstellen, daß die irakische Armee Mangel an Medikamenten hat) schon Menschen getötet.

Wir sollen ein zuverlässiges Mitglied der antiirakischen Koalition bleiben? Und vielleicht noch einmal für eine Milliarde Dollar Waffen an Syrien liefern, das jetzt ja ein zuverlässiger Garant des Friedens geworden ist (und ein Freund Israels)?

Wann wird endlich einmal kapiert, daß die Politik der Industrienationen der Grund für die Kriege der Welt ist, und daß es an der Zeit ist, hier etwas zu ändern. Erik Müller,

(DFG-VK), Karlsruhe

[...] Der Schreiber des Artikels vergißt offensichtlich, daß durch einen Einsatz der imperialistischen Kampftruppen gegen den Irak es erst von Saddam in Erwägung gezogen wird, überhaupt Israel anzugreifen, sonst doch wohl nicht. Also, was will Benny Peiser überhaupt? Meines Erachtens kann es ihm doch wohl auch nur darum gehen, die Stärke der Nato-Agressoren gegenüber den arabischen Massen zu beweisen [...]. Erschütternd finde ich, daß Benny Peiser sogar um den Preis des Todes von Juden und Palästinensern in Israel einen Angriff auf den Irak unterstützt, falls Saddam kein Verhandlungsfrieden aufgezwungen werden kann. Ein Krieg ist also in Benny Peisers Augen notwendig, so kann ich nur aus seinem Artikel folgern.

Selbstverständlich finde ich auch, daß es eine Riesensauerei ist, daß die Bundesrepublik Giftgas an den Irak geliefert hat, wie auch anderes Kriegsmaterial, wobei ich grundsätzlich dagegen bin, daß von der Bundesrepublik solche Dinge überhaupt hergestellt werden. Aber es ist meines Erachtens nur die logische Konsequenz eines kapitalistischen Systems, wo die Rüstungsfirmen immer Wege finden werden, ihr Zeug zu verkaufen. [...] Menschenleben spielen da nur noch eine Rolle als Kanonenfutter. Regina, GegenBild/BZ-Stelle, Berlin

[...] Wie kommt es zustande, daß in der taz ein Artikel erscheint, in dem der Autor einen drohenden Giftgasangriff auf Israel mit den Worten kommentiert: „...kämen womöglich zum zweiten Mal in diesem Jahrhundert Bilder von vergasten Juden auf die Weltöffentlichkeit zu.“

Was steht hinter diesem Sprachgebrauch für eine Geisteshaltung? Diese „Zumutung für die Weltöffentlichkeit“ bedeutet den Tod, die Vernichtung von Hunderttausenden (wenn nicht mehr) Menschen, und Peiser fallen nur Fotos ein? [...] Dr.Angelika Timme, Berlin

[...] Allen etwas irritierten Leuten, die tatsächlich glauben, die USA wollten am Golf ihre Ölquellen sichern, und deshalb nicht gleich nach Krieg schreien, geben Sie mit auf den Weg (der sie hoffentlich in Scharen und gut bewaffnet in die arabische Wüste führt), daß es sich „welthistorisch gesehen um den Kampf gegen den arabischen Faschismus und seine Führer“ handelt. Endlich ist das Feindbild klar und eindeutig, ab an den Golf und Faschisten vernichten, und die Deutschen dürfen sich auf keinen Fall drücken, es geht schließlich um den Endsieg und diesmal wird's gelingen. Klingt etwas grob und geschichtlich belastet, stimmt's? Sie nennen es lieber „sich den Verpflichtungen, auch im Krisenfall ein zuverlässiger Bestandteil des westlichen Bündnisses zu sein, nicht entziehen.“ Wer dagegen Einspruch erhebt, besitzt „bemerkenswerte außenpolitische Realitätsferne“ (sagen wir doch lieber deutlich: Feigling, Drückeberger — ja?). Es erstaunt mich nur, daß sie den von einigen Militärs geforderten Atomwaffeneinsatz nicht mit erwähnen. Wäre doch die beste Lösung — kaum Einsatz von Soldaten, aber die Wirkung beeindruckend und radikal?!

Noch einmal ganz unmißverständlich: Es gibt für mich kein Argument, das einen Krieg (egal in welchem Gebiet der Erde!) rechtfertigt! Bei dem derzeitigen Waffenstandard kann jeder militärische Konflikt die ganze Welt vernichten (bei einem Krieg am Golf besteht diese Gefahr akkut!). Ich kann nicht akzeptieren, daß mein Leben von potentiellen Massenmördern (egal auf welcher Seite) aufs Spiel gesetzt wird.

Sie, Herr Peiser, sehen das natürlich ganz anders. Setzen sie sich am 15.Januar mit leuchtenden Augen vor den Fernseher, vielleicht erfüllt sich Ihr krankhafter Kriegswahn, oder noch besser: Werden sie Frontberichterstatter! Live dabei, daß wäre doch das Größte! Die Berichte (und Fotos) bitte an die taz, Teile der Redaktion sind sicher hocherfreut! Arno Rieß, Berlin