Am Golf droht Ökokatastrophe

Deutsche Umweltverbände warnen vor weltweiten Folgen des Golfkriegs Das Klima fährt „Achterbahn“ wie in einem atomaren Winter  ■ Aus Bonn Gerd Nowakowski

Vor einer globalen Umweltkatastrophe als Folge eines Golfkriegs haben die großen Umweltverbände gewarnt. Der Deutsche Naturschutzring (DNR), der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) und Robin Wood forderten die Bundesregierung dringend auf, ihre „Tauchstation“ aufzugeben und bei den USA zu intervenieren, um den Krieg zu verhindern. Wer heute Krieg führe, könne das nur noch um den Preis der eigenen ökologischen Vernichtung tun, vertrat der BUND-Vertreter Joachim Spangenberg. Aufgerufen wurde zu den Friedensdemonstrationen am Wochenende.

Die weltweiten ökologischen Folgen eines Kriegs gingen weit über das Tschernobyl-Desaster hinaus und seien in ihren langfristigen Konsenquenzen nicht übersehbar, warnte Dirk Schneider von Robin Wood. Setze der Irak die nahezu 1.000 kuwaitischen Ölquellen in Brand, würden diese riesigen Fackeln nach Expertenmeinung zwischen sechs und neun Monate lodern, bevor sie gelöscht werden könnten. In weiten Gebieten der Erde müsse durch die monatelange starke Rauchentwicklung und Sonnenverdunklung mit Temperaturstürzen bis 20 Grad gerechnet werden. Mit derartigen Wirkungen eines „nuklearen Winters“ sei bislang nur in Szenarien eines massiven Atomwaffeneinsatzes gerechnet worden. Das Weltklima „werde Achterbahn fahren“. Für Millionen Menschen in Asien würden die überlebensnotwendigen Regenfälle gefährdet. Auch in Europa und Nordamerika seien Mißernten durch die Störung des Wachstumszyklus möglich.

Durch die ungeheure Freisetzung von Abgasen könnte der Treibhauseffekt um mindestens dreißig Jahre beschleunigt werden, weil das Treibgas Kohlendioxid (CO2) in ungeheurer Menge in die Lufthülle gelangt. Neben CO2 würde auch eine Vielzahl anderer giftiger Verbrennungsstoffe durch die große Wärme bis in die oberen Etagen der Atmosphäre gerissen und verteilte sich damit rasch über die nördliche Welthalbkugel. Andere Wissenschaftler schließen auch nicht aus, daß sich über Indien ein Ozonloch bilden könnte. Werden chemische und biologische Waffen eingesetzt, könnten die mörderischen Produkte ebenfalls über die Atmosphäre bis nach Europa gelangen; gleiches gilt bei einem möglichen Atomwaffeneinsatz. Für die Region des Persischen Golfes selbst ist neben der weitgehenden Vernichtung der natürlichen Lebensgrundlagen auf den Landflächen durch den Brand der Ölquellen auch mit einer langanhaltenden schweren Verseuchung des Meeres zu rechnen.

Die Verbände warfen der Bundesregierung vor, sie sei der Behauptung des US-Außenministers Baker nicht entgegengetreten, alle Länder der internationalen Koalition gegen den Irak seien „scharf auf einen Krieg“. Die Alternative zum Krieg sei ein verschärftes und langandauerndes Embargo, um den Irak zu Verhandlungen zu zwingen. In der „Kreuzzugsmentalität“ der USA aber sei der Krieg von vornherein programmiert gewesen; einem Boykott sei nicht die Zeit gegeben worden, Wirkung zu zeigen.

Die Umweltverbände forderten von der Bundesregierung den Abzug der deutschen Truppenverbände aus der Türkei und die Einstellung der militärischen Unterstützung. Sie bezeichneten es als „ungeheure Brüskierung“ des Parlaments und der Bevölkerung, wenn die Sondersitzung des Bundestags erst am Tage vor Ablauf des Ultimatums stattfinde.