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Assad-Regime in der Krise

Syrien innen- und außenpolitisch isoliert/ Auch im Golfkonflikt in der Klemme/ Entbrannter Machtkampf um Nachfolge von Assad  ■ Aus Damaskus K. Nasser

„Die Golfkrise wird einem dieser beiden Männer den Kopf kosten, entweder Saddam Hussein oder Hafis el-Assad“, antwortete ein arabischer Politiker, der seit Jahren in Damaskus lebt, auf die Frage, was die Golfkrise für Syrien bedeutet. Noch am Vorabend der Golfkrise ist das Regime in Damaskus innen- wie außenpolitisch völlig isoliert. Seit Jahren ist kein Ausweg aus der chronischen Wirtschaftskrise in Sicht, die nicht nur die Einkommen der Leute, sondern die Basis des Regimes aufzuzehren droht. Hinter den Kulissen ist der Machtkampf um die Nachfolge Präsident Assads entbrannt.

Der Löwe ist alt

Der Löwe — die deutsche Bedeutung für Assad — ist alt geworden und hält nicht mehr wie früher alle Fäden in der Hand. Ein syrischer Oppositioneller erzählte von einem hohen Offizier, der wegen einer dringenden Angelegenheit zwölfmal beantragte, den Präsidenten zu sprechen — jedesmal ohne Erfolg. Die Kräfte haben ihn verlassen, aber trotzdem besteht er wie immer darauf, alle Entscheidungen alleine zu fällen.

Auch außenpolitisch stand das Regime vor einem Berg von Problemen. Im Westen stand Syrien auf der schwarzen Liste der Staaten, die den Terrorismus unterstützen. Im Libanon hatte General Aoun zum Befreiungskrieg gegen die syrischen Truppen aufgerufen. Die neuen Regionalbündnisse machten einen Bogen um Syrien — im Golfkooperationsrat sind nur die Golfmonarchien, und der Arabische Kooperationsrat umfaßt Ägypten, Jordanien, Jemen und den Irak. Die palästinensische Karte ist den Syrern in den letzten Jahrne völlig aus der Hand geglitten.

In ihren diplomatischen Bemühungen um eine Lösung des Palästinaproblems balancierte die PLO zwischen Bagdad und Kairo. Die Syrer wurden nicht einmal um ihre Meinung gefragt. Und mit dem Ende des iranisch- irakischen Krieges und der Annäherung zwischen dem Iran und den arabischen Golfländern verloren die „besonderen strategischen Beziehungen“ zu Teheran jeden Wert. Mit ihm verlor Syrien eine Quelle kostenlosen Erdöls — der Preis, den der Iran für die syrische Unterstützung im Golfkrieg gezahlt hatte.

Die syrische Führung meinte, wenn sie sich uneingeschränkt hinter die Beschlüsse des UN-Sicherheitsrates stellen würde, könnte sie gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen: die internationale Isolierung durchbrechen, den traditionellen Erzfeind und Konkurrenten in Bagdad schwächen und die Beziehungen zu den Golfstaaten verbessern. Das Assad-Regime hoffte, daß die Saudis die Entsendung syrischer Truppen an den Golf mit großzügiger Wirtschaftshilfe zur Behebung der drängenden Wirtschaftsprobleme entlohnen würde.

Vorsichtige Töne

Aber ganz so einfach ging die Rechnung nicht auf. Denn die syrische Bevölkerung steht hinter Saddam aufgrund der gleichen Parolen, die el- Assad selbst seit zwanzig Jahren ausgibt: „Kampf dem Imperialismus und Zionismus — für eine gerechte Lösung des Palästinaproblems!“ Diese Stimmung mußte das Regime in sein Kalkül mit einbeziehen. Deswegen schlug es einen äußerst vorsichtigen Ton gegen den Irak an. Tag und Nacht wiederholen die syrischen Massenmedien, daß Syrien niemals die Zerstörung des irakischen Militärpotentials zulassen werde, die irakische Armee sei die Armee aller Araber. Der Herrscher in Bagdad sei verantwortlich für die ausländische Truppenpräsenz, weil er sich nicht aus Kuwait zurückziehe. Den Leuten ist das nicht genug. Sie wollen nur eins: auch Syrien soll sich auf die Seite des Iraks schlagen. Nachdem Hafis el-Assad an Saddam Hussein appelliert hatte, aus Kuwait abzuziehen, richtete Außenminister Faruk Al Sharaa am Samstag eine klare Warnung an Israel, sich in keiner Weise in die Golfkrise einzumischen. Syrien werde sich auf die Seite jedes arabischen Staates stellen, der von Israel angegriffen werde.

Der zweite Strich durch die Rechnung kam aus Amerika. Den Amerikanern war es nicht genug, daß Syrien dem „Club des internationalen Bündnisses gegen den Irak“ beigetreten ist und Truppen an den Golf entsandt hat. Sie wollen auch syrischen Boden und Luftraum im Falle eines Krieges gegen den Irak nutzen können. Auch wenn die Amerikaner infolge einer Übereinkunft mit den Syrern Michel Aoun im Libanon fallengelassen haben, bedeutet das noch lange nicht, daß sie nun bereit wären, dem Assad-Regime freie Hand im Libanon zu lassen.

Druck aus den Staaten

Um Druck auf Syrien auszuüben, rieten sie den Saudis einerseits, die Zahlung von zwei Milliarden Dollar auszusetzen, die diese Syrien als Gegenleistung für dessen Haltung im Golfkonflikt versprochen hatten, und andererseits, die Entsendung syrischer Truppen an den Golf zu hintertreiben, um so den syrischen Einfluß möglichst gering zu halten. Nachdem die ersten 3.000 syrischen Soldaten am Golf eingetroffen waren, entschuldigten sich die Saudis, ihre Logistik erlaube es nicht, weitere syrische Truppen aufzunehmen. Die Syrer verstanden, was gemeint war.

Die Amerikaner versuchen schon jetzt, die Grundlagen für eine neue Sicherheitsordnung nach der Golfkrise zu schaffen. Dabei bauen die Amerikaner vor allem auf die nichtarabischen Regionalmächte: Pakistan, die Türkei, eventuell Iran und natürlich Israel. Für Syrien oder irgendein anderes arabisches Land ist keine Rolle in dem amerikanischen Zukunftsszenarium vorgesehen.

Das Assad-Regime reagierte auf seine Art. Eine ganze Woche lang waren die Massenmedien voll von Kommentaren über die „amerikanisch-zionistische Verschwörung, die nur unserem zionistischen Feind nutzt“, „Syrien sei gegen jeden Angriff auf das Bruderland Irak“, und wenn es wolle, „sei es in der Lage, das ganze politische Kalkül der Ameriknaer und ihrer Verbündeten über den Haufen zu werfen“. Das war ein deutlicher Hinweis, daß Hafis el-Assad die Nase voll hat von den amerikanischen Erpressungsmanövern und, wenn er wollte, auch dem Irak seine Hand reichen könnte. Informierte Kreise in Damaskus sagen, daß die Saudis sich daraufhin beeilten, wenigstens eine Milliarde Dollar der versprochenen Wirtschaftshilfe auszuzahlen... Die Ägypter vermittelten einen Baker-Besuch in Damaskus, und Bush ganz persönlich traf sich im November mit Assad in Genf, nachdem die US-Diplomatie bis dato Syrien außen vor gelassen hatte.

Angst vor Bewegung

Besondere Angst hat das Assad-Regime, daß sich im Schatten der Golfkrise in der Palästinafrage etwas bewegen könnte. Das wäre ein Gewinn für die irakische Diplomatie und würde Saddam Hussein große Unterstützung unter den arabischen Völkern einbringen. Aus diesem Grunde wehren sich die Syrer gegen jede Verbindung zwischen den Krisenherden der Region. Sobald das syrische Regime Wind davon bekommen hatte, daß das Sekretariat des UN-Sicherheitsrates zu einer internationalen Nahost-Konferenz aufrufen wollte, veröffentlichte das syrische Außenministerium eine Erklärung, daß Assad und Bush in Genf beschlossen hätten, daß das Palästinaproblem endlich gelöst werden müsse. Nach der UN-Erklärung beeilte sich die syrische Presse festzustellen, daß „Hafis el-Assad hinter diesem Sieg“ stände. „Alles Lüge“, sagte der Oppositionspolitiker, „besser wäre es, Präsident Assad hätte unserem Volk reinen Wein darüber eingeschenkt, was Bush über die Golan-Höhen gesagt hat.“

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