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Wenn das Schwarze Gold brennt...

An den ökologischen Konsequenzen eines Golfkriegs könnten mehr Menschen zugrunde gehen, als am Krieg selbst/ Wenn Saddam die kuwaitischen Ölquellen sprengt, droht ein gewaltiges „Ozonloch“ am Äquator/ Mißernten für Milliarden?  ■ Von Gerd Rosenkranz

Zu hoffen bleibe, daß die Militärs bei ihren aufwendigen Simulationen möglicher Kriegsszenarien nicht vergessen haben, die Großrechner auch einmal auf die ökologischen Folgen eines Golfkriegs anzusetzen — und daß die Computer am Ende beruhigende Ergebnisse ausgespuckt hätten. John Cox glaubt wohl selbst nicht an diese merkwürdige Vorstellung ökologisch verantwortlich handelnder Kriegsplaner. Mit einem Hauch von Sarkasmus reagiert der Chemie- und Umweltingenieur, langjährige Berater einer Ölfirma am Golf und Aktivist der britischen Friedensbewegung CND (Campagne for Nuclear Disarmament) auf die Vorstellung brennender Ölquellen in Kuwait und im Irak. Cox hat, wie andere engagierte Wissenschaftler auch, die ökologischen Konsequenzen brennender Ölfelder in Kuwait und im Irak „ausgerechnet“.

Der Brite gehört nicht zu jenen, die nun, wo der Countdown am Golf seinem unaufhaltsamen Ende zuzustreben scheint, die globale Apokalypse an die Wand malen. Um so erschreckender sind seine Ergebnisse. Sie basieren auf plausiblen, wenn auch nicht im strengen Sinne wissenschaftlich belastbaren Annahmen. Sollte das Schwarze Gold im Verlauf eines Krieges in großem Rahmen in Brand geraten, könnte es schnell die schwarze Hölle auslösen. Die ökologischen Auswirkungen würden mehr Opfer fordern, als der Krieg selbst: Millionen Menschen, vornehmlich in Asien, müßten als Resultat verheerender Ernteausfälle verhungern oder nach der Zerstörung der schützenden Ozonschicht in den äquatorialen Zonen an Krebs zugrunde gehen.

Alle seriösen Überlegungen über mögliche Auswirkungen brennender Ölquellen auf das regionale oder globale Klima greifen zurück auf konkrete Erfahrungen mit großen Waldbränden und Vulkanausbrüchen auf der einen und Atomkriegssimulationen auf der anderen Seite. Mitte der achtziger Jahre, der Kalte Krieg zwischen den damaligen Supermächten hatte gerade seinen bisher letzten Höhepunkt erreicht, versetzten Studien über die klimatischen Auswirkungen eines nuklearen Schlagabtauschs die Welt in Angst und Schrecken. Ihr Ergebnis: Von einem Atomkrieg könnte sich das Ökosystem Erde nicht mehr erholen. Gigantische Feuersbrünste, angetrieben von orkanartigen Stürmen würden gewaltige Rauch- und Staubwolken in alle Schichten der Atmosphäre verteilen und das Weltklima aus den Angeln heben. Dunkel würde es sein auf der Erde und kalt. Tag und Nacht und solange, bis die Vegetation zerstört und ein Leben für Menschen auf dem Planeten Erde nicht mehr möglich wäre.

„Globale Ökokatastrophe ist unwahrscheinlich“

Das Horrorszenario, für das schnell der eher harmlose Name „nuklearer Winter“ gefunden war, ist nicht einfach ein Hirngespinst ausgeflippter Computerspezialisten. Einen „Geschmack vom nuklearen Winter“ ('New York Times‘) haben bereits unsere Altvorderen erleben dürfen: Im Juli 1816 verschwanden die US- Staaten New England, New York und Pennsylvania unter einer dicken Schicht aus Schnee und Eis, im August zerstörten zentimeterdicke Eisschichten praktisch die gesamte Ernte jenseits des Atlantiks. Ganz ähnlich erging es in jenem „Jahr ohne Sommer“ den Europäern. Auslöser des Wintereinbruchs mitten im Hochsommer war eine gewaltige Eruption des Vulkans Mount Tambora in Ostindien. Ruß und Asche umkreisten über Monate die Erde und schoben sich wie eine graue Decke fast über die gesamte nördliche Hemisphäre.

Große Waldbrände können — regional begrenzt — ähnliche Folgen haben, wie seinerzeit der Vulkanausbruch am Mount Tambora. Zuletzt 1987 registrierten Meteorologen nach ausgedehnten Bränden in Oregons Süden und Kaliforniens Norden lokale Temperatureinbrüche von bis zu 20 Grad Celsius.

Wenn die rund 850 Ölquellen Kuwaits mutwillig in Brand gesetzt werden, können nach Cox' Schätzungen täglich fast drei Millionen Barrel (1 Barrel entspricht 159 Liter) in Flammen aufgehen — und vergleichbare Mengen Rauch und Ruß produzieren wie die größten Waldbrände. Das reicht für böse regionale Effekte im Umkreis von rund 1.000 Meilen (etwa 1.600 Kilometer) um den Brandort. Der Beitrag zum globalen Treibhauseffekt dagegen bliebe moderat. Allenfalls um knapp fünf Prozent würden sich die weltweiten Kohlendioxid-Emissionen erhöhen (das entspricht grob dem Ausstoß des vereinigten Deutschlands). Verglichen mit den Atomkriegszenarien wirkt das Großfeuer am Golf geradezu idyllisch: Um die untersten Rauchfrachten eines sehr begrenzten atomaren Schlagabtauschs zu erreichen, müßten die Quellen schon drei Jahre lang ununterbrochen lodern. Genug Zeit für die mikroskopisch feinen Partikel, sich zu verdünnen, zu verteilen und größtenteils wieder abzuregnen. Eine „globale Ökokatastrophe“, so Cox' Resümee, „ist unwahrscheinlich“.

Grund zur Beruhigung ist das alles nicht: Denn, wie in den meisten Atomkriegsszenarien vorhergesagt, könnte auch die Feuersbrunst am Kriegsschauplatz Golf das besonders empfindliche Klima der Region durcheinanderbringen. Konkret: Jahreszeit, Dauer und Charakter der Monsunwinde. Von ihrem pünktlichen Eintreffen und den damit verbundenen Regenfällen hängt in Asien die Ernte und damit das Schicksal von bis zu einer Milliarde Menschen ab. „Schon eine Teilverlust des Monsuns“, schreibt Cox, „könnte mehr Menschen das Leben kosten, als im Irak, in Kuwait und Saudi-Arabien heute leben.“

Es trifft die ärmsten der Armen

Doch die Schreckensvision geht weiter. Beim unkontrollierten Abfackeln der Ölquellen am Golf würden Rauch und Ruß unter Umständen monatelang kontinuierlich und mit ungeheurer Gewalt gen Himmel geschleudert. Unweigerlich erreichten die Schadstoffe viel höhere Atmosphärenschichten als nach vergleichsweise kurz andauernden Flächenwaldbränden in relativ feuchten Klimazonen. Klar ist: Ruß und Stickoxide — im Rauch zur Genüge vorhanden — zählen zu den Ozonkillern. Einmal in die Stratosphäre katapultiert, würden sie ein „Ozonloch“ von ungeheurem Ausmaß rundherum um den Äquator legen. Die in den zumeist armen Ländern dieser Erde lebenden Menschen wären dann den krebsauslösenden UV- Strahlen der Sonne praktisch ungeschützt ausgesetzt. Cox nennt diesen Fall das worst-case-scenario, also die schlimmste aller Möglichkeiten.

Die Ozonkatastrophe würde langfristig auch die aktuell befürchtete Zerstörung der Ernten in und um die Kriegsregion bei weitem in den Schatten stellen. Für Millionen Betroffene ist das wenig tröstlich: Wenn die Quellen brennen, kommt der Regen — vor allem wegen der im kuwaitischen Öl enthaltenen Schwefelfrachten — erstmal nur noch in Form ätzender Säuren vom Himmel.

Der frühere britische Premier Edward Heath (er gehörte zu jener Korona von Elder Statesman, die im Herbst in Bagdad Schlange standen, um festgehaltene Landsleute loszueisen) ist überzeugt, daß Saddam Hussein alle kuwaitischen Ölquellen zur eventuellen Sprengung vermint hat. Ein Vertreter des britischen Ölkonzerns BP schätzt, daß es sechs bis neun Monate dauern würde bis Spezialisten nach dem Ende der Kampfhandlungen 300 bis 400 Feuer gelöscht hätten. Für John Cox eine ausgesprochen optimistische Prognose. Die Zahl der auf das Löschen derartiger Brände spezialisierten Teams ist begrenzt. Und sie müßten voraussichtlich nicht jeweils ein isoliertes Feuer bändigen, sondern mehrere benachbarte — mit der permanenten Gefahr, daß sie sich gegenseitig neu entzünden.

Ein Krieg am Golf würde viele treffen. Möglicherweise auch die, die am allerwenigsten damit zu tun haben: Die armen Länder Afrikas und Asiens.

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