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Wer abtreibt landet in der Polizei-Datei

Auch Bayerns Polizei registriert Frauen bei Abtreibungsverdacht/ Bayerisches Polizeiaufgabengesetz als rechtliche Grundlage  ■ Aus München Luitgard Koch

Auch in Bayern werden Frauen Opfer polizeilicher Sammelwut. Bei Ermittlungen im Zusammenhang mit dem umstrittenen Paragraph 218 landen ihre Daten im Polizeicomputer. Sie können dort, ohne ihr Wissen, bis zu zehn Jahren gespeichert werden. Jede Polizei-Inspektion kann diese Daten abrufen.

Doch was im „Musterländle“ Baden-Würtemberg von der dortigen Datenschützerin, Ruth Leuze, heftig kritisiert wird (s. taz vom 11.1.), ist dem Datenschützer aus dem Freistaat keinen Protest wert. Im Gegenteil das CSU-Mitglied Sebastian Oberhauser kann daran nichts rechtswidriges finden. Und er hat sogar recht. Denn Oberhauser kann sich in Bayern auf das rigorose bayerische Polizeiaufgabengesetz berufen. Danach ist die Polizei im Freistaat berechtigt, Daten aus Strafverfahren zur „Gefahrenabwehr“ zu speichern. Der bloße Tatverdacht genügt dabei völlig. Welche Gefahr von einer Frau ausgeht, die abgetrieben hat, kann Oberhauser, den die bayerischen Grünen bei seinem Amtsantritt als „Null-Lösung im Datenschutz“ bezeichneten, nicht beantworten. Doch wofür die gespeicherten Daten gut sind, weiß er schon. Ganz im Sinne der Polizeitaktik argumentiert Oberhauser: Ein früheres Verfahren könne bei neuen Ermittlungen wichtige Anhaltspunkte liefern.

Nach Angaben des bayerischen Datenschützers existiert auch noch eine Memminger Sonderdatei in der alle Daten von Frauen gespeichert sind, die im Zusammenhang mit dem Prozeß gegen den Memminger Frauenarzt Theissen vor Gericht gezerrt wurden. Als Grund gab Oberhauser an, daß das Urteil gegen den Arzt noch nicht rechtskräftig sei. Die Einsicht, daß Verstöße gegen den 218 nicht mit anderen Delikten „über einen Kamm geschoren“ werden könnten, wie die Stuttgarter Datenschützerin meinte, fehlt völlig. Leuze hatte gefordert, daß bei der Speicherung von Daten überprüft werden müsse, ob das polizeiliche Interesse größer sei als das der Betroffenen. Bei 218-Verfahren sei das wohl kaum der Fall, erklärte die Datenschützerin.

Auswüchse der Sammelwut: Ein Mann zeigt seine Ex-Freundin wegen Abtreibung an, weil sie ihn verlassen hat. Eine Mutter meldet ihre Tochter als vermißt und erzählt der Polizei, daß sie wahrscheinlich nach Holland zur Abtreibung gefahren sei. Die Daten der jungen Frauen werden gespeichert.

Die Münchner SPD-Bundestagsabgeordnete hat jetzt in Briefen an den bayerischen Innenminister, Edmund Stoiber sowie den Datenschützer, Sebastian Oberhauser, genaue Auskünfte über die „Abtreibungsdatei“ verlangt. Außerdem fordert sie, daß solche Dateien grundsätzlich verboten werden.

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