Aktionstage mit wenigen Enthusiasten

■ Streik gegen die Abwicklung an der Humboldt-Universität begann/ Diskussionsrunden zur Erneuerung schlecht besucht/ Einzelne Lehrveranstaltungen fanden trotz Streikbeschlusses statt

Mitte. An der Humboldt-Universität wird für zwei Tage gestreikt, und man stelle sich vor, niemand geht hin. Hörsäle und Hauptgebäude jedenfalls waren gestern halbleer, obwohl sich bei der Urabstimmung über einen Warnstreik gegen die Abwicklung einzelner Fachbereiche immerhin 77 Prozent der Beteiligten dafür ausgesprochen hatten. Weder der Erfahrungsaustausch zu Personalfragen in den abgewickelten Bereichen noch Veranstaltung zum Thema studentische Mitbestimmung zogen die Massen in die Uni.

Wo waren die mehreren tausend Studenten, die sich an diesen beiden Aktionstagen in etlichen Veranstaltungen über die Vergangenheit und Konzepte zur inneren Erneuerung der Universität den Kopf zerbrechen wollten? »Die meisten machen Holyday«, sagt der sichtlich vom Streß der vergangenen Tage gezeichnete Ilko Kowalszuk vom Studentenrat. Einige ließen Streik Streik sein und folgten den Worten ihrer Professoren. Diese hatten bei den Zahnmedizinern den Studenten angedroht, daß ein Fehlen beim Testat Durchfallen bedeute. Für den Drittsemestler Jens B. hieß das, lieber ein ordentliches Gebiß zusammenzubauen, als den Abwicklern die Zähne zu zeigen. Die Mathematiker und Rechtswissenschaftler führten ordnungsgemäß und den Streikbeschluß ebenfalls ignorierend Lehrveranstaltungen durch. »Die zu stören, den Kraftaufwand konnten wir heute nicht mehr leisten«, meint Ilko. In einer Erklärung hatte der Studentenrat zu bedenken gegeben, daß er nicht die Augen davor verschließe, daß ein Teil der Studierenden die »von uns heftig kritisierte Verfahrensweise ‘Abwicklung‚ als gang- und machbaren Weg zur Erneuerung der Universität ansieht«. Deshalb komme es in Zukunft darauf an, alle an einer echten Gesamterneuerung der Humboldt-Uni Interessierten zusammenzuführen.

Wie viele Interessierte es tatsächlich gibt, bleibt im dunkeln. Einen Stimmzettel einzustecken ist leicht. Die Auseinandersetzung mit den Professoren, den Dozenten zu führen, aufzudecken, wie Wissenschaft instrumentalisiert werden konnten, wie auch Personen dazu beigetragen haben, ist nervenaufreibend und harte Arbeit. Da ziehen es nicht nur Studenten, sondern auch Lehrkräfte vor, schnell zur Tagesordnung überzugehen. Für die Debatte »Vergangenheitsaufarbeitung und Instrumentalisierung der Universität« war es schwierig, überhaupt WissenschaftlerInnen zu finden, die bereit waren, über sich und diese Mechanismen zu reden. Einzig der Literaturwissenschaftler Professor Hörnigk und ein ehemaliger Marxismus/ Leninismus-Lehrer fanden sich zu dieser Runde ein. Ersterer wies in der Diskussion um das M/L-Studium darauf hin, daß man bei der Analyse der Strukturen nicht vergessen darf, daß auch immer genügend Leute verfügbar waren, die diese innerhalb und außerhalb der Sektion ausgefüllt haben. Personen und Namen zu diskutieren, haben sich die Studenten vor allem für den heutigen Streiktag vorgenommen. Die Arbeit in den Personalstrukturkommissionen — einem von den Studenten vorgeschlagenen und vom Konzil bestätigten Modell zur Überprüfung aller WissenschaftlerInnen nach fachlichen und politisch-moralischen Kriterien — soll beginnen. anbau