: Firmenwrack oder Phönix? Düstere Interflug-Zukunft
Verkaufsverhandlungen — an die Lufthansa — können sich noch hinziehen ■ Von Dietmar Bartz
Auch für die Interflug sollte am 15. Januar ein Ultimatum auslaufen. Bis dahin, drohte noch zu Jahresbeginn ein Bonner Ministerialer, sollte die Treuhand mit ihrer Entscheidung zu Potte gekommen sein, wer den Zuschlag für die Übernahme des Noch- Staatsfligers erhält. Andernfalls werde ein Beamtenausschuß, der aus den Bundesministerien für Wirtschaft, Verkehr und Finanzen zusammengesetzt sein sollte, die Sache in die Hand nehmen.
Die Frist ist verstrichen, passiert ist noch nichts. Die Treuhand verhandelt nach eigenen Angaben fleißig mit mutmaßlich fünf Interessenten, und die Gespräche könnten sich durchaus noch ein, zwei Wochen hinziehen oder vielleicht bis in den Februar; auf der Treuhand-Vorstandssitzung am Dienstag wurde nichts entschieden, und ein Sprecher des Finanzministeriums erklärte nun doch, Bonn wolle sich nicht weiter in diesen Vorgang einmischen.
Nicht ohne weiteres ersichtlich ist derweil, welches Interesse diese fünf Unternehmen überhaupt noch haben. Klar ist der Fall am ehesten noch bei British Airways: Der Konzern möchte eine deutsche Fluglinie besitzen, um sich als Inlandsfirma nicht von den vielen juristischen Barrieren am Himmel einschränken lassen zu müssen. Trotz aller offiziellen „No comments“ war aber dennoch zu erfahren, daß BA angeblich noch nicht einmal die Betriebsergebnisse des dritten Quartals '90 vorlägen. Ebenso wie bei der Lufthansa könne man deswegen eine Entscheidung der Treuhand eher als Beginn der Verhandlungen denn als ihr Ende betrachten, heißt es bei beiden Gesellschaften fast unisono.
Aktuell ist überhaupt das Geld das große Problem der Interflug. Branchengerüchten zufolge — oder gezielt ausgestreuten Gehässigkeiten — fehlen der Linie jährlich 200 Millionen DM, oder anders ausgedrückt: Fast 500.000 DM täglich müsse in die Interflug gepumpt werden. Bisweilen ist gar von 700.000 DM täglich die Rede. Dazu mochte die Interflug auf Anfrage ebensowenig eine Stellungnahme abgeben wie einstweilen zu einem weiteren Gerücht: dem, daß für die drei auf Kredit gekauften Airbusse zwar noch die Zinsen, aber nicht mehr die Tilgung an die Banken überwiesen wird.
Andeutungen von Treuhand-Chef Detlev Rohwedder ist zu entnehmen, daß der Zug tatsächlich Richtung Lufthansa abfährt. Dort wird denn auch der Eindruck erweckt, die Lufthansa füge sich in ihr Schicksal und übernehme das Firmenwrack, weil man sich eben im letzten Jahr mit der versuchten und dann am Bundeskartellamt gescheiterten Blitzübernahme etwas weit aus dem Fenster gehängt habe. Kaum eine Aussicht besteht jedenfalls darauf, daß der von Interflug-Geschäftsführer Andreas Kramer verfolgte Plan realisiert werden kann, dem Unternehmen die Unabhängigkeit zu belassen und es auf Kosten der Treuhand zu sanieren.
Denn woraus besteht die Interflug noch? An den ausgegliederten GmbHs hält sie keine Anteile mehr, und das Fluggerät ist wenig attraktiv. Da sind im wesentlichen die drei noch nicht abgezahlten Airbusse, dann sieben Iljuschin-62 und weitere 15 Tupolew-125, 64sitzige Düsenflugzeuge. Um den Verkauf der IL-62 wird mit der sowjetischen Staatslinie Aeroflot verhandelt (siehe auch unten) — sie werden auf jeden Fall in den kommenden Monaten außer Interflug-Betrieb gestellt. Ersetzt werden sollen sie durch geleaste Boeing 737 — doch dazu gibt es derzeit kein grünes Licht von der Treuhand. Und diese Maschinen sollen nicht von der Interflug, sondern bei der Lufthansa gewartet werden — trotz allem sieht Kramer einen Personalbedarf von 1.200 Personen.
Zu recht geht bei der Interflug deswegen die Angst vor dem Kahlschlag um. Auch wenn die Gesellschaft als Lufthansa-Tochter ihren Namen beibehalten sollte — wieviel Leute werden für die Handvoll Jets, das Bodenpersonal und die wenigen Schalter in den Flughäfen noch gebraucht?
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