»Geld kommt nicht in Tüten aus Bonn«

■ taz-Interview mit Finanzsenator Norbert Meisner (SPD) über die Sparpolitik in Bonn und Berlin INTERVIEW

taz: Herr Meisner, Sie haben am Mittwoch zum »Widerstand« gegen die Berlin betreffenden Bonner Sparbeschlüsse aufgerufen. Wie soll der Widerstand aussehen?

Norbert Meisner: Die Interessen Berlins und der ostdeutschen Länder sind in großen Teilen identisch. Wir in Berlin müssen diese Interessen bündeln und gegenüber der westdeutschen Politik formulieren. Berlin kann da eine Stimmführerschaft zuwachsen, weil wir die politischen Abläufe kennen.

Nun haben die ostdeutschen Länder keine Mehrheit im Bundesrat.

In den ostdeutschen Ländern wird in diesem Jahr eine Situation entstehen, die die Bundesregierung zum Handeln zwingt. Neben den Ländern sind ja auch noch die Kommunen von der Zahlungsunfähigkeit bedroht.

Und wann wird es soweit sein, daß die Einsicht in Bonn gereift ist?

Das weiß ich nicht. Wir bohren beständig. Die Berliner Öffentlichkeit wartet immer darauf, daß es einen Knall gibt: Jemand kommt zurück und bringt soundsoviel Milliarden mit. In Wahrheit gibt es eine ganze Reihe von Entscheidungen, über die noch verhandelt wird: über die Bundeshilfe für den Haushalt zum Beispiel, dann über die Subventionen für Mieten, Fahrpreise und Brennstoffpreise, deren Finanzierung für die ganzen ostdeutschen Länder geklärt werden muß.

Diesen Eindruck, daß es einen Knall gibt, hat doch vor allem Ihre Partei erweckt. Herr Momper war es, der ständig auf den Termin von Herrn Diepgen bei Bundeskanzler Kohl wartete.

Das ist sicher auch ein Fehler von mir gewesen. Ich hätte es nicht für möglich gehalten, daß der Bund in puncto Berlinhilfe auf ein detailliertes, begründetes Anforderungsschreiben des Senats schlichtweg antwortet: Ihren Forderungen kann ich nicht entsprechen.

Ist es dann seriös, in den Koalitionsvereinbarungen Mehrausgaben von über 600 Millionen Mark zu beschließen?

Das ist eine Prioritätenliste: Es müssen nun mal weiterhin Wohnungen gebaut werden. Wir müssen etwas für den Arbeitsmarkt und den Umweltschutz im Ostteil der Stadt tun.

Einerseits wollen Sie den Wohnungsbau forcieren, andererseits haben sie bei der Senatsbauverwaltung einen Teil der Mittel für den Wohnungsbau sperren lassen. Wie paßt das zusammen?

Ich habe allen Senatsverwaltungen eine Sperre auferlegt. Das ist keine Streichung. Ich versuche nur zu vermeiden, daß wir im Laufe des Jahres in die Zahlungsunfähigkeit kommen.

Die Tatsache, daß Sie mit den Sperrungen gerade bei den Zuwendungsempfängern angesetzt haben — dazu gehören die BVG oder die Hochschulen —, legt doch die Schlußfolgerung nahe, daß sie dort später tatsächlich kürzen wollen.

Die Sperre ist gleichmäßig dort auferlegt worden, wo keine gesetzlichen Bindungen bestehen. Ich kann nun mal nicht die Gehälter für die Senatsbediensteten sperren. Die meisten Ausgaben rühren aus gesetzlichen Verpflichtungen, aus denen ich nicht raus kann.

Kann man nicht bei den Investitionen streichen, zum Beispiel bei dem 300 Millionen teuren neuen Polizeihauptquartier in Tempelhof?

Da gibt es bereits eine Baugrube, etwa 50 Millionen Mark sind schon ausgegeben.

Muß der Straßenbau im Westteil der Stadt bluten?

Ja, wenn man das kann. Den Tiefbau haben wir aber immer schon als Sparschwein benutzt. Darum ist da wenig zu holen.

Schon gegen die von Ihnen erlassenen Sperrungen regt sich Protest. Die Hochschule der Künste fürchtet die Zahlungsunfähigkeit und wirft dem Senat »Killerpolitik« vor.

Man hat sich in Berlin offensichtlich daran gewöhnt, daß Geld vorhanden ist. Und wir werden noch eine Zeitlang zu kämpfen haben, bis wir eine Stadt sind, die ihr Geld im wesentlichen selbst verdient. Das ist auch eine Bewußtseinsfrage. Zur Zeit herrscht zum Teil noch die frühere DDR- Mentalität: Das Geld wird in Bonn in Tüten abgepackt und dann abgeholt. Interview: Hans-Martin Tillack