Die Frau, die Gandhi porträtierte

■ Margaret Bourke-White-Retro im Fotoforum / Bilder vom Krieg / Sponsor: ein Rüstungskonzern

Das Menschengedächtnis ist kurz. Zum Mittel gegen das Vergessen kann die Fotografie werden, da, wo sie über das Dokumentarische hinaus im richtigen Moment zum gültigen Bild kommt und wo sie Zugang zur medialen Verwertungsmaschine hat. Die amerikanische Fotografin Margaret Bourke-White (1904-1971) hat einige gültige Bilder fürs Menschheitsgedächtnis geschaffen und hatte den unmittelbarsten Zugang zu den Medien: Sie saß mittendrin.

In der Bourke-White-Retrospektive des Fotoforum Böttcherstraße findet man das Bild Gandhis (hockend, bekleidet mit Lendenschurz, daneben das Spinnrad); Hermann Göring im Mai '45, Suizid im Blick; unbeschreibliche Bilder aus den KZ Buchenwald und Erla bei Leipzig nach der Befreiung; den abgeschnittenen Kopf eines nordkoreanischen Guerilla-Kämpfers, 1952 triumphierend in die Kamera gehalten. Das sind Bilder, die über die Situation hinaus Weltgeschichte in sich aufgenommen haben.

Margaret Bourke-White begann in den 20ern zu fotografieren, studierte Fotografie und Design und fand schnell das Sujet, das sie bis in die 30er Jahre beherrschte: die Industrie. Sie hatte ein ähnlich emphatisches Verhältnis zu Industrieanlagen und — produkten wie die russische Avantgarde und der Futurismus/ Kubismus. Berührunsängste zwischen Kunst und Design gab es — zumal in den USA — damals ohnehin kaum. Ihre „techno-religiösen“ Aufnahmen des Stahlwerks Otis Steel wirken theatralisch, ja rhetorisch. Qualitäten, die Zeitschriften wie „Fortune“ und „Life“ zu schätzen wußten. Dort publizierte sie mit wachsendem Erfolg, was für eine Frau überhaupt nicht selbstverständlich war. Ihren Erfolg verdankt sie nicht zuletzt dem souveränen Umgang mit Licht, das sie dramatisch einzusetzen wußte.

Mitte der Dreißiger — zu Zeiten der Depression — entdeckte Bourke-White den Menschen und die „soziale Dokumentation“. Sie fotografierte Verwahrlosung und Not, immer nah, immer arrangiert, keine Schnappschüsse: exemplarisch statt exklusiv. Durch gute Beziehungen zur Generalität wurde sie im Krieg zur gesuchten Fotojournalistin, stets dicht hinter der Front. Ästhetisch perfekte Aufnahmen von Verletzung, Bombardements, verwüsteten Städten und Kriegsgreueln wirkten mit daran, in der Heimat ein Bild vom Krieg zu konstruieren. Anders herum: Sie befriedigte auf souveräne Weise die wachsende öffentliche Gier nach Bildern. Zwischen 1946 und 1952 berichtet sie über den indischen Befreiungskampf, Südafrika, den Koreakrieg.

Mit dieser großen Ausstellung weist das Fotoforum noch einmal auf seine überregionale Bedeutung hin (Bremen steht am Ende der Reihe New York — London — Mailand — Paris — Bonn - München). Sie und den großartigen Katalog (48 DM), den VIP-Empfang zur Eröffnung, die Schnittchen für die Journalisten verdankt das Forum dem US-Konzern United Technologies Corp. (UT), einem großen Kunstförderer. Er soll deutschen Firmen als Beispiel für Kultursponsoring vorgehalten werden. UT ist der elftgrößte Rüstungskonzern der Welt und macht 1/4 seines Umsatzes mit Waffen (1988). Die „Aktualität“ der Kriegs-Fotoreporterin Bourke-White angesichts des Golfkrieges steht der Aktualität der Frage nach den Grenzen des Kultursponsoring in nichts nach. Burkhard Straßmann

(bis 28.Februar)