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Bonner Angst vorm Bündnisfall

In Bonn wächst Sorge vor einem provozierten Nato-Bündnisfall in der Türkei — Bundesregierung will vor Zustimmung zu Bündnisverpflichtungen die Umstände eines irakischen Angriffs auf Türkei prüfen  ■ Aus Bonn Gerd Nowakowski

Die von türkischen Flughäfen aus durchgeführten „Übungsflüge“ der US-Luftwaffe haben in Bonn bei Bundesregierung und Opposition die Sorge verstärkt, die Bundesrepublik könnte direkt in die militärische Auseinandersetzung mit dem Irak hineingezogen werden. Sollte der Irak nach einem von türkischem Boden ausgehenden Angriff zurückschlagen, dürfte die Bundesregierung keine militärische Unterstützung leisten, fordert der außenpolitische Experte der SPD, Voigt: „Ein Bündnisfall, der provoziert wird, ist kein Bündnisfall.“ Das gelte auch für den Fall, daß die Türkei von sich aus den Irak angreift. Sein Fraktionskollege Opel fordert für einen solchen Fall den sofortigen Rückzug des in der Türkei stationierten deutschen Luftwaffenverbands. Die Türkei habe versichert, sich weiterhin ausschließlich auf die Verteidigung einzustellen, erklärte Verteidigungsminister Stoltenberg (CDU). Das Interesse der Bundesregierung sei es auch, daß es bei den „Übungsflügen“ der Amerikaner bleibe. Die deutschen Truppen in der Türkei würden nicht verstärkt. Deutsche Marineverbände erhielten eine „eindeutige geographische Begrenzung“ auf den Mittelmeerraum. Der Einsatz deutscher Flugzeuge in der Türkei, die „eindeutig defensive Aufgaben“ hätten, bleibe an die Zustimmung Bonns gebunden, so Stoltenberg. Dies gelte für jede weitere Entwicklung.

Regierungssprecher Vogel nannte die Bereitstellung der Flugplätze für amerikanische Angriffe auf den Irak eine „souveräne Entscheidung“ der Türkei, bei der die BRD keine Einspruchsmöglichkeit habe. Doch selbst wenn die Amerikaner von der Türkei aus den Irak angriffen oder die Türkei selbst in den Krieg eingreife, bedeute das nicht, daß deutsche Truppen einbezogen wären. Bei einem irakischen Angriff auf die Türkei, der von der Bundesregierung für sehr unwahrscheinlich gehalten wird, müßten die Nato-Gremien im Konsens aller Bündnismitglieder entscheiden, ob ein Bündnisfall eingetreten sei oder nicht. Regierungssprecher Vogel versicherte, dabei würde man „alle Umstände genau prüfen“, die zu einem solchen Angriff geführt hätten. Die Bundeswehreinheiten würden aber auch bei einer Zustimmung zum Bündnisfall ausschließlich zu Verteidigungszwecken für die Türkei eingesetzt. Auch bei der FDP besteht wenig Neigung, sich in den Bündnisfall hineinziehen zu lassen. Wenn die Türkei „von sich aus oder gemeinsam mit den Amerikanern Aktionen startet“, sei das Nato-Bündnis davon nicht betroffen, vertrat der außenpolitische Experte der FDP, Feldmann.

Bestätigt wurde in Bonn, daß sechs weitere Schiffe der Bundesmarine „zu Übungen“ ins westliche Mittelmeer auslaufen werden. Bereits seit September letzten Jahres hat die Bundesrepublik sieben Schiffe eines Minenabwehrverbandes im östlichen Mittelmeer stationiert. Weitere Schiffe sind in einen Nato- Verband zur Sicherung der Nachschubwege und der multinationalen Einsatzflotte im Mittelmeer integriert.

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