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„Wir haben nur Angst um die Kinder“

Der Krieg ist in Bagdad ein Krieg der Nacht/ Viele Familien haben die Stadt inzwischen verlassen/ Keine Informationen über Verluste/ Irakische Führung „will zunächst die ersten Schläge absorbieren und dann reagieren“  ■ Aus Bagdad Khalil Abied

Ich lebe noch! Der Krieg ist in Bagdad ein Krieg der Nacht. Am Tag des 17. Januar ist es ruhig, nur ein paar Bombardierungen vormittags und zwei oder drei nachmittags. Die Stadt wirkt leer, viele Familien haben sie inzwischen verlassen. Ab sieben Uhr abends werden die Journalisten gezwungen, in die Bunker des Hotels Ar-Rashid zu gehen. Bis Mitternacht gibt es keine Informationen. Dann dürfen wir den Bunker verlassen. Ab vier Uhr beginnt die starke Bombardierung. Der Himmel färbt sich rot, die Luftabwehr feuert ihre Flakgeschütze. Später hören wir, daß in dieser Nacht und am darauffolgenden Tag auch die Militärregion von Ar-Rashid, etwa zwanzig Kilometer von Bagdad entfernt, stark bombardiert wird. Über die Verluste gibt es keine Angaben.

Am Morgen des 18. Januar ist die Stadt wieder ruhig. Die irakische Zeitung 'Ar-Thwara‘ meldet: „Der Führer besucht sein Volk“. Und zeigt Fotos von Saddam Hussein, der sich mit Irakern auf der Straße zeigt, das Gebäude des staatlichen Rundfunks besucht und das Armeehauptquartier. Ein Brief des Sohnes Saddams, der auch an der Front ist: „Ich bin dein Sohn, der Sohn des Löwen. Ich konnte mich von dir nicht verabschieden, aber ich bin sicher, daß ich stolz zurückkehren werde. Laß unser Volk wissen, daß wir eine Familie sind, die sich für die Heimat opfert.“

Elf Uhr vormittags, von neuen Bombardements überrascht, fahren wir zum Bunker des Bagdad Hotels. Mohamed, ein Iraker, wendet sich an mich: „Wir haben keine Angst, nur Sorge um die Kinder. Die haben wir, wie die meisten Leute hier, an einen sicheren Ort gebracht. Wir aber warten hier auf Bush...“ und lacht. In der populären Badeuin-Gasse, im Stadtzentrum, sind ein paar Läden und Teehäuser geöffnet. Im gut besuchten Teehaus treffe ich Abu Mohamad. Der Siebzigjährige sagt: „Dies ist ein Kampf zwischen Gläubigen und Ungläubigen. Wir werden siegen, denn Gott ist mit uns. Was jetzt geschieht, ist schon im Koran beschrieben. Die Geschichte wiederholt sich, dies ist ein neues Jahr des Elefanten.“ Eine Anspielung auf ein Ereignis im siebten Jahrhundert, als Abassiden mit Elefanten im Geburtsjahr des Propheten Mohammed nach Mekka kamen, um den Ort zu besetzen. Die Beduinen, die zum ersten Mal Elefanten sahen, waren von Angst ergriffen. Doch dann, so berichtet der Koran, schickte Gott „Vögel mit Steinen“, und jeder Stein tötete einen Elefanten. Jetzt seien die irakischen Raketen die Vögel, deren Steine die Ungläubigen zerstören und Mekka befreien werden. Ali, ein anderer Iraker, lacht, als er die Berichte über die Bombardierung des Präsidentenpalastes kommentiert. Die Amerikaner, meint er, „sind dumm, der Präsident war nicht zuhause, und wir werden ihm später eben einen schöneren Palast bauen.“ Das Verteidigungsministerium wurde zum vierten Mal getroffen, weitere zivile Gebäude sind zerstört. Die Leute sagen, es habe viele Verluste gegeben. Das Radio sendet nationale und religiöse Lieder.

Nach der Konferenz Saddam Husseins mit den Armeechefs und der regionalen Parteiführung am 17. Januar heißt es in der offiziellen Erklärung: „Nach dem ersten Tag sind wir voller Hoffnung, denn unsere Helden verteidigen die Heimat mit aller Kraft... Unser Sieg über die Feinde ist sicher.“ Ein arabischer Politiker kommentiert: „Die Führung hat die Situation unter Kontrolle. In ein paar Tagen wird sie mit ,Überraschungen‘ aufwarten. Sie wollen zunächst die ersten Schläge absorbieren und dann reagieren.“

Ausreise dementiert

Bagdad/Bern (dpa/ap) — Berichte, nach denen am Freitag die Frau Saddam Husseins und seine Kinder den Irak in Richtung Mauretanien verlassen haben sollen, hat die mauretanische Regierung dementiert. Der britische Sender BBC hatte am Freitag unter Berufung auf westliche Diplomaten gemeldet, der irakische Präsident habe seine Familie nach Mauretanien in Sicherheit gebracht. Auch in der Schweiz sei die Familie nicht aufgetaucht, erklärte am Freitag abend das Schweizer Justiz- und Polizeiministerium.

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