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Antonio Gramsci

■ Der erste Dissident

Antonio Gramsci wurde heute vor 100 Jahren geboren. Er starb 1937 an den Folgen dreizehnjähriger Kerkerhaft (er wurde wenige Tage vor seinem Tod entlassen). In der Haft schrieb Gramsci seine 32 Quaderni del Carcere, die Gefängnishefte, eine Sammlung von Aufsätzen und Essays. Gramsci, heute ein Mythos, war zu Lebzeiten vielen Anfeindunden seiner damals moskautreuen Partei ausgesetzt. „Er war der erste Dissident“, heißt es in der Parteizeitung 'L'Unita‘ — verbunden mit neuen Mutmaßungen darüber, daß die KPI-Führung damals nichts zur Rettung des Todkranken unternommen habe.

1911 kam Gramsci, in Sardinien in ärmsten Verhältnissen aufgewachsen, mit einem kleinen Stipendium an die Universität Turin, 1921 gehörte er zu den Gründern der KPI. Die Machtübernahme Mussolinis erlebte Gramsci in Moskau, wo er seit 1922 in der Führung der Komintern arbeitete. In diese Zeit fiel seine Beziehung zu Julia Schucht, der zwei Kinder entstammen. Gramsci kehrte 1924 allein nach Italien zurück, 1926 wurde er verhaftet und 1928 in einem Schauprozeß zu einer langjährigen Gefängnisstrafe verurteilt.

Während sich die KPI in diesen Jahren immer mehr auf den Kurs der von Stalin instrumentalisierten Komintern begab, geriet Gramsci in offenen Widerspruch zu seiner Partei. Seine Idee des „historischen Blocks“, die Abkehr vom sowjetischen Modell der Diktatur des Proletariats, die Anerkennung des Parlamentarismus und die breite Bündnispolitik einschließlich der Katholiken nahm Konzepte vorweg, die Enrico Berlinguer 1973 entwickelte und zum „historischen Kompromiß“ mit den Christdemokraten erweiterte.

Von Antonio Gramsci ist in deutscher Sprache lieferbar:

Marxismus und Kultur, VSA-Verlag, DM 24,80

Geschichte und Klassenbewußtsein heute (ein Beitrag im 2. Band), Material Verlag, DM 24,80

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