: London: 8.000 gegen Krieg
Die britische Friedensbewegung hofft auf mehr DemonstrantInnen, wenn der Krieg blutiger wird/ Mehrheit der Briten befürwortet den Krieg ■ Von Ralf Sotscheck
Am vergangenen Samstag demonstrierten in London 8.000 Menschen gegen den Golfkrieg, nachdem eine Woche zuvor noch weit über 100.000 auf der Straße waren. Hat die britische Friedensbewegung bereits resigniert? Der 'Independent on Sunday‘ behauptete triumphierend, die „Peaceniks“ säßen alle zu Hause vor dem Fernseher, um sich die Entwicklungen am Golf nicht entgehen zu lassen. Die Anti-Atomorganisation CND (Campaign for Nuclear Disarmament) wies jedoch darauf hin, daß erst am Donnerstag mit der Mobilisierung für die Demonstration begonnen wurde.
Pressesprecherin Radhika Holmström sagte gestern zur taz: „Viele Menschen sind sich unsicher und schwanken in ihrer Einstellung zum Golfkrieg. Je deutlicher die Zahl der Opfer jedoch wird, desto mehr wird sich die Bevölkerung gegen den Krieg wenden. An den Beleidigungen in der Presse kann man ablesen, wie ernst die Anti-Kriegsbewegung bereits genommen wird.“
CND ist Teil des „Committee to Stop the War in the Gulf“, eines Bündnisses verschiedener politischer Organisationen. Die Friedensgruppen haben sich im „National Peace Council“ zusammengeschlossen. Holmström sagt, daß die Kampagne mit dem Ausbruch des Krieges in eine neue Phase getreten sei. Es gehe jetzt darum, einen Waffenstillstand durchzusetzen, um den Schaden zu begrenzen. „Wir treten für ein neues Sicherheitssystem im Nahen Osten ein“, sagt Holmström. „Dieses System muß eine Koalition verschiedener Kräfte sein und darf sich nicht an den Blöcken des Kalten Krieges orientieren.“
CND-Vizepräsident Alastair Mackie, in den 60er Jahren Bomberpilot der Royal Air Force, sagte am Wochenende: „Wir können heute nur auf eine Pause hoffen. Der Kriegswahnsinn wird jedoch noch eine Weile anhalten. Ich hasse es, Verteidigungsminister Tom King Recht zu geben, aber der Krieg steckt militärisch noch in einer frühen Phase.“ Marjorie Thompson, die Vorsitzende der Organisation, fügte hinzu: „Ich habe die amerikanische Geschichte studiert, und wenn ich jetzt den US-amerikanischen Präsidenten Bush von internationaler Moral, Völkerrecht und neuer Ordnung reden höre, dann greife ich zu meiner Gasmaske.“ Das politische Bündnis der Kriegsgegner versucht, im Parlament Unterstützung zu gewinnen. Auf der Abschlußkundgebung der Demonstration am Samstag sprach sich der Abgeordnete Tony Benn vom linken Labour-Flügel für ein Ende des „unaussprechlich brutalen Krieges“ aus. Labour-Chef Neil Kinnock entgegnete in einem Fernsehinterview darauf: „Der Krieg im Golf findet auch deshalb statt, damit Leute wie Tony Benn weiterhin frei ihre Meinung sagen können.“
In Tausenden von Schulen und Universitäten fanden gestern Gebetsstunden für Frieden am Golf statt. Friedensgruppen verteilten Petitionen „Jugend gegen den Krieg“. Vor allem an den Universitäten haben die Angriffe auf arabische StudentInnen seit Kriegsausbruch rapide zugenommen. An britischen Hochschulen studieren ca. 3.000 Menschen aus der Golfregion, darunter 1.000 aus dem Irak. Die Londoner „Union of Palestinian Women“ warnte ihre Mitglieder davor, sich nachts ohne Begleitung aus dem Haus zu gehen. Die nationale Studentengewerkschaft NUS will Beratungsstellen für arabische KommilitonInnen einrichten.
Mehr Kriegsgegnerinnen als Kriegsgegner
Meinungsumfragen in Großbritannien haben am Wochenende ergeben, daß eine Mehrheit den Angriff auf den Irak befürwortet. Während sich allerdings über zwei Drittel der befragten Männer für den Krieg aussprachen, waren es bei den Frauen nur 41 Prozent. Holmström kündigte an, daß in zwei Wochen eine nationale Anti-Kriegsdemonstration in London stattfinden werde: „Dann werden wir sehen, wie groß die Unterstützung für einen Waffenstillstand ist.“
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