: Orientalisches Forum
■ "Es gibt keine Lösung"
Der Iraker Saeed Al-Diwany lebt seit 1984 in Bremen. Im Irak war er politisch verfolgt.
taz: Worum geht es im Golf- Krieg?
Saeed Al-Diwany: Der Irak hat seine Minderheiten unterdrückt, hat sich vernichtet, Irak hat seine Opposition vertrieben. Aber hier im Westen ging es nicht um den Schutz der Minderheiten im Irak oder Kuwaits, sondern um rein wirtschaftliche Interessen. Das Kapital regiert und die Politiker sind seine Marionetten.
Weißt Du Genaueres über die Situation im Irak, oder bist Du auch nur aufs Fernsehen angewiesen?
Alle direkten Kontakte sind abgebrochen. Aber wenn man Augen und Verstand im Kopf hat, dann merkt man, daß es nicht um irgendwelche militärischen Anlagen geht, sondern um die Vernichtung des Volks.
Alle Filme sind ja zensiert. Die gute militärische Ausführung wird gezeigt. Aber wo ist dabei überhaupt das Volk. Ist der Irak ein Land ohne Menschen, ohne Tiere, ohne Leben? Wenn schon die Häuser wie Kartenhäuser in sich zusammenfallen, was wird denn dann mit den Menschen. Da gibts ja keine Bunker, höchstens für die Machtelite.
Ist noch ein politisches Ende des Krieges möglich?
Solange das Interesse des Westens noch nicht verwirklicht ist, nicht. Sie wollen das Land ausradieren.
Sie wollen den ganzen Irak?
Sie wollen die ganze Region. Die Amerikaner werden doch nicht zurückgehen, wenn der Krieg zu Ende ist. Als die USA ihre Bastion im Iran verloren hatten, haben sie einen Idioten wie Saddam Hussein gefunden, der diesen Krieg mit Amerikas Hilfe angezettelt hat.
Und eine irakische Opposition, die in der Lage wäre...
In der Lage nicht. Schon ein Hauch von Verdacht führt dort zum Tod der Person. Und wenn sie keine Gründe finden, sagen sie, er ist ein Spion. Auf diese Art sind tausende von jungen Leuten aufgehängt worden.
Du hast überhaupt keine Hoffnung mehr auf eine Lösung?
Nein, es gibt keine Lösung. Die Existenz Israels ist die Lösung. Solange die Zionisten dort an der Macht sind, wird es keine Ruhe im Nahen Osten geben.
Du rechnest selber nicht damit, in den Irak zurück zu können?
Wenn überhaupt jemand in den Irak zurückgeht, dann findet erkeinen Irak mehr, er wird nur noch Ruinen finden.Das Volk interessiert den Westen doch überhaupt nicht. Die interessiert das Öl.
Warst Du auch bei den Bremer Friedens-Demonstrationen dabei?
Ich habe fast keine Demonstration ausgelassen. Man muß ja etwas tun, sonst wird man verrückt.
Die jüdische Gemeinde hat diese Demonstrationen kritisiert...
Wer ist denn die jüdische Gemeinde? Die jüdische Gemeinde vertritt doch nicht alle Juden, sondern ist stellvertretend für den Zionismus. Die müßten sich eigentlich umbenennen in zionistische Gemeinde. Es gibt ja wirklich viele friedensliebende Juden, die früher mit den Arabern in Frieden gelebt haben. Die heute in Israel den Krieg befürworten, sind meistens die westlichen Juden.
Aber zur Zeit wird Israel angegriffen und nicht umgekehrt.
Angegriffen... Das sind ein paar Raketen, die für die Leute schlimm genug sind. Dieses Geschrei um Israel ist berechtigt, aber was in Israel passiert, ist eine Bedrohung, und was im Irak passiert, ist Völkermord. Über 8.000 Angriffe der Luftwaffe, wieviele Tonnen von Bomben sind das?
Es ist jämmerlich schade, daß die Völker nicht miteinander leben können. Der Mensch ist doch geschaffen, in Frieden zu leben. Jede Religion, egal ob die christliche, jüdische, islamische, buddhistische oder weiß der Kuckuck was für eineReligion sagen: Du sollst nicht töten. Und jetzt hat der Mensch bald keine Existenz mehr, wenn es so weiter geht. Fragen: Dirk Asendorpf
Die Gespräche mit BremerInnen aus der Region des Golf-Krieges werden fortgesetzt.
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